Eingang Klamurke Klamurkosophisches

Briefwechsel Michail Taracha – Raymond Zoller

(Übersetzung aus dem Russischen)

Dieser Briefwechsel war in der russischen Vorklamurke veröffentlicht; auf der Seite also, die ich zusammen mit Michail Taracha eröffnet hatte. Nach Klamurkisierung jener Seite wurde er nicht mehr aufgenommen. Die Dateien (russisches Original mitsamt deutscher Übersetzung) blieben aber auf dem Server. Nachdem ich durch eine Zuschrift von jemandem, der zufällig via Google da reingerasselt war, darauf aufmerksam gemacht wurde, schaute ich mir das noch einmal an, befand, daß es aber doch nicht uninteressant ist und beschloß, es einzubinden.

Jene russische "Vorklamurke" war ursprünglich angelegt als eine Art öffentliche Beratungs-Seite zu dem sozialtherapeutisch-landwirtschaftlichen Projekt "Schkolnyj Dom", als Zusatz zu einer bereits länger vorhandenen Seite, welche über die Abläufe und Entwicklungen dortselbst berichtete. Bei dieser Zusatzseite ging es um eine Art "beratendes Bewußtmachen" der Aufgaben und Möglichkeiten in Zusammenhang mit diesem Projekt; und darüber hinaus um das Bemühen, zu verstehen, was es bei solch "beratendem Bewußtmachen" zu beachten gilt, damit das Ganze nicht in Streitereien oder inhaltloses Wortemachen ausartet. Der zwischendurch erwähnte H. Witzenmann hat zu solchem Bewußtmachen interessante Anregungen gegeben; und eben in diesem Zusammenhang wird er erwähnt.

Jene Initiative "Schkolnyj Dom" entwickelte sich aus einer Arbeitsgruppe um das Buch "Die Tugenden" von Herbert Witzenmann, welches ich ins Russische übersetzt habe; und wir kamen in Kontakt, weil sie den Übersetzer ebenjenes Buches hatten kennenlernen wollen.

Der Arbeitszusammenhang existiert weiterhin und entwickelt sich, wennauch zur Zeit fast ganz alleine von Michail Taracha und wechselnden freiwilligen Helfern getragen.

Und die einstige Beratungsseite hat sich denn, des trocknen Tones satt, der ungeistig-asozial-unchristlichen Richtung der Klamurke eingefügt.

19. April 2002 – Raymond Zoller an Michail Taracha

Gestern kam ich nicht dazu, [dein Bittschreiben um finanzielle Unterstützung] mit der nötigen Aufmerksamkeit durchzulesen. Und nach aufmerksamer Lektüre scheint mir, daß man das nochmal gründlich umarbeiten sollte. Um finanzielle Unterstützung hinzuzuziehen, müßte man den sozialen Bedarf deutlicher aufzeigen.

In den beiden ersten Absätzen wird die Schönheit der Gegend beschrieben. Aus diesen beiden einleitenden Absätzen gewinnt der Leser den Eindruck, als würde der Sinn der Sache darin bestehen, daß die paar Initiatoren, welche „in das Nowgoroder Gebiet reisen“, diese Schönheit genießen können; und die Fortsetzung ist nicht griffig genug, als daß dieser erste Eindruck verschwinden könnte.

Irgendwas muß man da ändern.

Vielleicht müßte man sich überhaupt erst mal das Wesen dieses ganzen Impulses deutlicher zu Bewußtsein bringen? Ich meine damit nicht, daß man irgendein gescheites Programm verfassen soll; ein gescheites Programm zu schreiben ist überhaupt nicht schwierig, doch außer gestelztem Gelaver bringt das nichts. Ich meine: sich konkret bemühen, die Aufgaben und Perspektiven zu verstehen; was nu mal gar nicht so einfach ist. Ein feines, zerbrechliches Gewebe, darin man vorsichtig die Hauptlinien aufsuchen muß...

Vielleicht liegt im Sommerlager für Schüler gar nicht die Hauptaufgabe? Es klingt auch nicht sehr überzeugend. Wirkenszentrum muß irgendwas kraftvolleres sein; und alles übrige – darunter auch die Sommerlager für Schüler – hat sein Epizentrum in diesem „kraftvolleren“. Doch würde es überhaupt nichts bringen, ein solches Epizentrum künstlich zu konstruieren oder auszudenken.

Heilpädagogik, Sozialtherapie könnte zu einem solchen Epizentrum werden; doch wäre es natürlich ein verhängnisvoller Fehler, künstlich Bedürftige heranzuziehen, nur um mit ihrer Hilfe sich ein solches „Epizentrum“ zu schaffen (und für die Bedürftigen selbst wäre das eine Demütigung); das muß sozusagen eine „Frage des Schicksals“ bleiben...

19. April 2002 – Michail Taracha an Raymond Zoller

[…]

Wo könnte man dieses Epizentrum finden? Ich denke, daß das Sozialtherapie sein wird; doch im gegenwärtigen Stadium kann man hiervon nur als von einer Perspektive reden. Faktisch reden wir ja schon davon; jedoch haben wir zunächst keinerlei realen Möglichkeiten, eine solche Arbeit anzufangen. Das ist klar; alles andere wäre Lüge.

Natürlich wird das Epizentrum nicht in einem Sommerlager für Schüler bestehen. Ich hoffe sehr, daß in den kommenden zwei Jahren man hier nicht nur den Sommer über leben wird. Dann gibt es noch eine andere Aufgabe: das absterbende Dorf wieder zum Leben zu erwecken. Nicht einfach bloß reanimieren, sondern ihm neue Kräfte einflößen. Solches geschieht durch den Bau neuer Häuser, das Auftauchen neuer Menschen, Entwicklung der Landwirtschaft und des Handwerks. Doch zunächst ist das alles noch recht verschwommen. Man möchte es konkreter haben. Vor drei Jahren herrschte vollständiger Nebel; jetzt wird es schon klarer. Aber es gelingt nicht, es in voller Klarheit zu formulieren. Sehr viel Emotionen...

[...]

20. April 2002 – Raymond Zoller an Michail Taracha

[...]

Ich bin voll mit dir einverstanden: man muß handeln; Passivität macht alles kaputt.

Im Moment besteht eine der wichtigsten Aufgaben darin, die Mittel zur Fortsetzung der elementaren Arbeiten aufzutreiben: Man muß sich an Außenstehende wenden mit der Bitte um finanzielle Unterstützung. Und hier liegt die Schwierigkeit darin: wie soll man in diesem Stadium, wo alles erst im Keimzustand ist, eine solche Bitte formulieren? Denn einerseits ist es ja so, daß der potentielle Spender verstehen muß, wofür er seine Mittel zur Verfügung stellt; doch andererseits kann ein vorzeitiges Ausformulieren von Zielen oder gar die Ausarbeitung irgendeines Programms dieses zarte im Entstehen begriffene Gewebe verletzen.

Im Übrigen sprach ich ja auch nicht von der Notwendigkeit der Schaffung eines Projektes, sondern der Bewußtmachung des Projekts. Die Sache ist ja die, daß man in einem solchen Anfangsstadium häufig selbst noch nicht recht verseht, wohin es einen zieht.

Kommen wir zurück zum Bittschreiben in Sachen finanzieller Unterstützung. Ich bringe ein Zitat aus deinem letzten Brief:

"Wenn ein junger Mensch das ganze Leben immer nur in der Stadt verbrachte – selbst wenn er Ausflüge aufs Land machte – wird er seine Erde nie in dem Maße kennen und lieben lernen, als wenn er lernt, auf ihr zu arbeiten. Und das ist auch Sozialtherapie. Und auch die gesunden brauchen sie. Interessant wäre, wenn aus solchem Beginnen eine Landwirtschaft entsteht, welche das ganze oder fast das ganze Jahr über funktioniert und Halbwüchsige oder junge Leute aufnehmen kann, die ihre Arbeitskraft einsetzen könnten, um dieses Anwesen zu entwickeln, auszubauen, zu veredeln. Ein solches Anwesen könnte sich allmählich zu einer sozialtherapeutischen Einrichtung entwickeln, welche Bedürftige aufnehmen kann. Doch zuerst muß eine Gemeinschaft von gesunden Menschen sich bilden, welche keine Scheu davon haben, auf der Erde zu arbeiten und sich untereinander zu verständigen. Es geht um die Entwicklung einer gewissen Verständigungskultur und von gegenseitigem Vertrauen."

Eine recht geglückte Formulierung. Wenn man sie etwas ausarbeitet, kann man eben hierauf ein Bittschreiben um finanzielle Unterstützung aufbauen.

Übrigens steht auch meine Bitte bezüglich X [ein hochbegabter junger Mensch aus Georgien, der umständebedingt keinerlei Möglichkeit hat, seine Fähigkeiten zu entwickeln und sich ins tätige Leben einzugliedern] hat mit einem gewissen „sozialen Bedarf“ bezüglich euren Projektes zu tun. Ich würde nicht ausschließen, daß das zunächst wie folgt aussehen könnte: Treffpunkt und Ort für gemeinsames Arbeiten für Menschen, die in der allgemeinen Auswegslosigkeit und dem Wirrwarr unserer heutigen Zeit Schiffbruch erlitten haben – darunter auch eventuell dieser oder jener mit „überdurchschnittlichen Reserven“ – und welche unter solchen Bedingungen schnell auf die Füße kommen können; und aus solchen Menschen kann sich dann im Weiteren ein Kern bilden für Zusammenhänge mit wirklichen „Kranken“, Bedürftigen wie auch für sonstige soziale Aufgaben (und für solche Aufgaben könnte man dann auch ein Programm ausformulieren). Diese Vorgehensweise selbst dürfte natürlich nicht zum Programm werden, da man sonst unweigerlich in irgendwelche Absurditäten reinrasselt.

Noch einmal zu den „Kranken, Bedürftigen“ zurückkehrend: Anfang der neunziger Jahre wurde ich Zeuge des Verfalls eines solchen Projekts: In ländlicher Gegend wollte man ein Zentrum für Behinderte aufziehen; und ich würde nicht einmal ausschließen, daß zunächst tatsächlich ein solches Bestreben vorlag. Sie bekamen in großem Umfang finanzielle und Unterstützung und humanitäre Hilfe; ab und zu lebten da tatsächlich irgendwelche Behinderte; doch die Behinderten verwandelten sich zunehmend zu Potyomkinschen Dörfern, hinter denen sich das eigentliche Ziel versteckte; und das eigentliche Ziel bestand in angenehmen Leben für die Hauptakteure. Diese Tendenz wurde dann noch dadurch verstärkt, daß diese Fülle an Mitteln ganz natürlich jede Menge Zeitgenossen anzog, welche Gefallen daran finden, möglichst viele Mittel für das eigene Wohlergehen zu nutzen. – Da ich die Naivität und das Fehlen von Professionalismus bei den durchschnittlichen westlichen Finanziers und Sponsoren kenne, würde ich nicht ausschließen, daß es sehr viele Fälle dieser Art gab.

(eine absurde Sache: in ihrer Dumpfheit züchten sie eine ganze Plejade von Parasiten und Abenteurern heran; und dann zeigen sie mit dem Finger auf dieses von ihnen selbst herangezüchtete Geschlecht und legen dar, daß es nu mal keinen Sinn macht, russische Projekte zu finanzieren. Und diejenigen, die arbeiten wollen und können, blieben von Anfang an im Abseits)

20. April 2002 – Michail Taracha an Raymond Zoller

[...]

Noch einmal zu den „Programmen“: Programme schreiben und anschließend versuchen, sie zu verwirklichen, ist nicht unsere Sache. Das ist das Privileg der politischen Parteien; sollen die ruhig in ihren Programm-Illusionen herumschwimmen. Wir haben eine Idee und ein Ideal, dem wir nachstreben. Vor kurzem hörte ich den Satz von irgendeinem bekannten Philosophen, welcher ungefähr so lautet: „Wenn sich keine mutigen Menschen finden, die bereit sind, für eine Idee zu arbeiten, so verwandelt diese Idee sich in Phantastik.“ Merkst du? Mut! Das ist es, was häufig fehlt.... Und wieviel Enttäuschungen gab es auf diesem Weg...

[...]

27. April 2002 – Raymond Zoller an Michail Taracha

Mir scheint, daß einer der wichtigsten Faktoren, welche die Schaffung solcher „ländlicher Oasen“ in der Art des „Schkolnyj Dom“ nötig machen, in der weltweiten Auswegslosigkeit und Ratlosigkeit liegt. – Ich kann mich erinnern, vor vielen Jahren war ich auf einem privaten Treffen mit Witzenmann. Witzenmann sprach damals, in privatem Kreis, eben von der Notwendigkeit der Schaffung solcher Zentren; und ich kann mich deutlich erinnern, daß man ihn nicht verstand und nicht einmal merkte, daß man ihn nicht versteht und daß Witzenmann sogar leicht irritiert war ob dieses Nichtverstehens. Ich selbst schwieg; denn alle ringsum waren äußerst gescheit, „baschkovatyje“[1], mit ihrem spezifischen Jargon, den ich nicht beherrschte. Was hätte ich auch sagen sollen? Ich schwieg... Und wie stumpfsinnig der Mehrzahl dieser anwesenden „baschkovatyje“ in Wirklichkeit sind, verstand ich erst viele Jahre später. Jetzt würde ich nicht mehr schweigen; doch jetzt würde auch niemand mehr mich zu solchen Treffen einladen, da ich vor ihrem Jargon keinen Respekt mehr habe und, wo es sein muß, ganz saftig dreinschlagen kann; doch, vor allem: Witzenmann ist seit 12 Jahren tot...

[...]

27. April 2002 – Michail Taracha an Raymond Zoller

[…]

In deiner Variante des Briefes [Bitte um finanzielle Unterstützung] stolperte ich tatsächlich über das Wort „Oase“: Stille, Ruhe; die Wanderer ruhen aus. Ringsum Wüste, Winde, Stürme; doch wir sind in der Oase, und uns geht es gut. Jetzt erst verstehe ich, daß ich nicht Recht hatte. Eine Oase – das ist ein Ort, wo der Mensch Kräfte schöpft für den weiteren Weg. Dies hat einen wirklichen tiefen Sinn.; und das verstand ich nicht sofort. Der Mensch kann dort hängenbleiben; und dann degeneriert er, da ihn außer Ruhe und persönlichem Wohlergehen nichts mehr interessiert. Der Sinn liegt darin, daß man Kräfte schöpft, um in die Wüste zu gehen und sie zu bearbeiten, damit die Erde besser werde.

Du schriebst über Witzenmann. Er sprach von der Schaffung solcher Oasen; doch niemand verstand ihn. Vielleicht hat er hierüber auch geschrieben? Könnte man das finden? Sag bloß nicht, daß niemand das jetzt braucht. In seinen Arbeiten können sich vielleicht Gedanken finden, welche uns helfen könnten, die Grundidee unserer Arbeit deutlicher zu fassen?

Und außerdem schriebst du, daß dich nun einmischen würdest und nicht mehr schweigen würdest, wenn irgendwelche „baschkovityje“ die Wichtigkeit einer Idee nicht verstehen. Vielleicht ist es an der Zeit, einzugreifen? Vielleicht erklärst du den „baschkovityje“ die Wichtigkeit der Schaffung solcher ländlicher Oasen, wo eine Generation heranwachsen könnte, die nicht vom realen Leben abgeschnitten ist? Was hältst du von einer solchen Vorgehensweise?

[...]

27. April 2002 – Raymond Zoller an Michail Taracha

[...]

Ich mache einen Unterschied zwischen „baschkovityje“ und „baschkovatyje“. Der „Oshegov“[2] ist, gleich dem Word-eigenen Tippfehlerkorrekturprogramm, der Ansicht, daß keinerlei „baschkovatyje“ existieren. Der „Uschakov“[3] erkennt ihre Existenz zwar an; jedoch sieht er keinerlei Unterschied zwischen ihnen und den „baschkovityje“. – Für mich aber ist ein „baschkovityj“ ein geistig beweglicher, über Durchblick verfügender Mensch, während es sich bei einem „baschkovatyj“ um eine Person handelt von eitler Aufgeblasenheit, welche ihre Ausgehöhltheit hinter einem blasierten Jargon versteckt[4].

Sich mit diesen Klugscheißern (baschkovatyje) zu verständigen wird kaum möglich sein; die huldigen ihrer Eitelkeit, und ich würde sie dabei nur stören. Und überhaupt: brauchen wir sie denn? Wir brauchen sie nicht, und fertig! Sollen sie ihre Vorträge halten, vorführen, wie klug sie sind und wie weise. Wenn sie Anhänger finden und sich wohl fühlen in ihrem Ruhm – mögen sie sich darin suhlen...

[...]

27. April 2002 – Michail Taracha an Raymond Zoller

[...]

Die Idee eines Forums gefällt mir. Für den Anfang kann man versuchen, sowas auf unserer Homepage einzurichten.

Man soll nicht warten, was sich ergibt, sondern sich bemühen, weiterzukommen; soll versuchen, Wege zur gemeinsamen Arbeit zu finden.

Das könnte recht interessant werden!

Noch einmal: könnte man bei Witzenmann irgendwas finden zum Thema dieser „ländlichen Oasen“? Was verstand er genau darunter?

Könntest du dich ausführlicher dazu äußern[5]?

[...]

28. April 2002 – Raymond Zoller an Michail Taracha

Technisch ist es heute das einfachste vom einfachen, ein Forum zu eröffnen. Im Internet findet man auf Schritt und Tritt Angebote, kostenlos ein Forum, eine Homepage oder eine Arbeitsgruppe zu eröffnen. Vom Inhaltlichen her ist es dafür äußerst schwierig.

Die elementare Kommunikationskultur ist kaum entwickelt – und plötzlich diese Flut an technischen Mitteln, für die es, bei Lichte betrachtet, kaum rechte Verwendung gibt. Wenn man über all diese Homepages, Foren oder gar Chats dahinstreunt und zuschaut, was sich da so tut, kann man verrückt werden...

Insgesamt scheint mir, daß im Laufe der letzten hundert Jahre die Kommunikationskultur sich nicht nur nicht entwickelt hat, sondern, im Gegenteil, sogar degenerierte; und daß mit Aufkommen von Internet und Chats die Degeneration sich noch beschleunigt hat.

Und eben unter solchen Umständen muß man nun jene Mittel, welche letztendlich zu einer Verschärfung des Problems beitrugen, dazu nutzen, einen Ort zu schaffen zur Entwicklungen echter Begegnung.

Natürlich werden wir diese Mittel nutzen; doch wird das alles nicht so einfach sein...

Und einfach wird es auch nicht sein, bereits bekannte zu besserem fähige Leute, welche resignierten, aus ihrer Resignation herauszuziehen.

Die Notwendigkeit, ein solches Forum zu schaffen, sah ich bereits vor 20 Jahren. Ja nu; wie akut diese Notwendigkeit ist, verstand ich damals noch nicht; dachte sogar, das sei mehr oder weniger eine private Macke, irgendein diffuses Sichaufbäumen, Rebellieren. Doch ich begann zu handeln. Das heißt, in erster Linie begann ich zu schreiben und zu veröffentlichen: um Voraussetzungen zu schaffen für Begegnung unter denjenigen, die – bereits damals! – den Faden verloren hatten und resignierten. Und es gab vor eben diesem Hintergrund verschiedene Versuche, eine eigene Zeitschrift zu gründen. – Und wie begründet notwendig all diese Versuche in Wirklichkeit waren – verstehe ich erst jetzt. Ich verstand mich damals selbst noch nicht recht; und noch viel weniger verstanden mich diejenigen, mit denen ich damals zu tun hatte.

[...]

29. April 2002 – Raymond Zoller an Michail Taracha

[...]

Bei dem heutigen Bewußtsein haben die Wörter eine ganz spezifische, nur den wenigsten bekannte äußerst gefährliche Magie: Wenn man sie ohne Inhalt benutzt oder mit einem Inhalt, der dem ursprünglichen Begriff entgegengesetzt ist – kommt man in Verwirrung. Wörter, die ihren Sinn verloren oder unbemerkt durch einen anderen ersetzt haben, sind wie giftige Substanzen.

[...]

18. Juli 2002 – Raymond Zoller an Michail Taracha

Ich habe deine Eindrücke von deiner Arbeit an der Schule durchgelesen und möchte dir ein paar Anmerkungen schicken zum Thema „lernen durch die Arbeit und während der Arbeit“. Irgendwie berührt das auch das Waldai-Projekt.



1) zu diesem Wort siehe weiter unten. d. Üb.

2) weit verbreitetes russisch-russisches Wörterbuch. d. Üb

3) anderes, etwas professionelleres russisch-russisches Wörterbuch

4) im Deutschen vielleicht „Klugscheißer“ oder sowat; d. Üb.

2) Und wie er das hat; doch da dies alles von seinen Anhängern bis zur Unkenntlichkeit zerredet wurde, hab ich mich in jenem Briefwechsel weiter nicht mehr dazu geäußert; da ist eh nichts mehr zu machen (d. Üb. in seiner Funktion als Verfasser)

Raymond Zoller

Zum russischen Original