Aus einem im Januar 2023 geschriebenen Brief
Es ergab sich, daß ich heute früh die Lektüre von Steiners „Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer gegen seine Zeit“ in Angriff nahm. Und das war mir plötzlich alles so neu, als hätte ich das Buch noch nie gelesen. Aber ich hab es gelesen; vermutlich sogar mehrmals im Laufe der Jahre. Und Nietzsche las ich, noch bevor ich auf Steiner stiess. Erinnere mich, daß ich über längere Zeit hinweg, in handlicher Reclam-Ausgabe, dauernd den „Zarathustra“ dabei hatte.
Es verband sich mit dem Eindruck, den ich in den letzten Wochen beim Durchackern des Klamurke-Grundgedankens bekam: nämlich daß ich das vor Jahren begonnene wie veranlagt weiterentwickeln soll: rein auf Grundlage eigener Erfahrung in klarer Sprache, ohne systematische Klügeleien. Und das Ganze in lockerem Bunde mit seriöser, halbseriöser und unseriöser Belletristik.
Nach langer Abstinenz habe ich nun auch wieder angefangen, mich mit umfassenderen Erzählungen zu beschäftigen. Angefangenes gibt es mehr als genug; und gestern stieß ich auf eine Skizze, in deren Handlung unaufdringlich, ganz von selbst, zentrale Fragen durchschimmern, welche nach und nach auch in Gesprächen berührt werden. Nach außen hin ist die Handlung von durch und durch fragwürdiger Thematik; und deshalb – wenn ich es richtig ausarbeiten kann – umso geeigneter, um bei Menschen mit zur Klarheit drängendem Potential vom Alltagsmief überwucherte Fragen hervorzulocken.
Freilassende systematische Hilfestellung zum Verfolgen zentral wichtiger Fragen gibt es zum Glück genug. Zum Beispiel bei Steiner und bei Witzenmann. Wer ehrlich ist und solche Darstellungen durchackert, um weiterzukommen – für den sind sie eine Hilfe. Ich benutze sie auch in dem Sinn, und ich bin froh, daß es sie gibt.
Da das aber so klug ist und so systematisch wird es – wie ich zunehmend bemerke – gelegentlich von Leuten gelesen, die einfach nur sich selbst und anderen zeigen wollen, wie klug sie sind. Solche unreflektierte Eitelkeit vernebelt die Sache; die haben oftmals keine Ahnung, wovon sie reden.
Selbst bin ich weit weg vom Niveau eines Witzenmann oder gar Steiner. Dafür hab ich mich in jahrelangem hartem Kampf aus eigener Kraft bis zu einem gewissen Grade aus den Sümpfen, in die ich hineingeboren und immer tiefer hineingezogen wurde, herausgearbeitet; die zentralen Fragen wurden mir darüber bis zu einem gewissen Grade bewußt, und andeuten tu ich sie, locker und ungezwungen, in einer Sprache, die für Leute mit zur Freiheit drängendem Potential anregend sein kann.
Und selbst wenn mein Geschreibe irgendwann zur Literatur ernannt würde – trotzdem isses zu ehrlich und zu kratzig, als daß in den Bildungsphilisterbrei reinpassen könnte…
Fiel mir grad so ein.
Moralisches Vermischter Kleinkram