Klamurke Unterhaltungen

Von gendermainstreamerisch veredelter Sprache

Unterhaltung zwischen

und

Ernst Tirckl-Wolff

Raymond Zoller


Raymond Zoller

Wenn die gendermainstreamende Germanist-Inn-en anständig Deutsch könnten, müßten sie sehen, daß durch Partizipien alleine das Geschlecht sich nicht vollumfänglich neutralisieren läßt.

Ein Ausweg ließe sich schaffen, indem man nach dem Vorbild der Linken, die mit dem Wort "Genosse" den sozialen Status neutralisieren konnten, nunmehr mit Hilfe des Neutrums "Individuum" auch die Neutralisierung des Geschlechtes herbeiführt.

Statt, zum Beispiel, "RadfahrerIn", oder "Wer ein Fahrrad führt" könnte man dann sagen: "Ein radfahrendes Individuum".

Dieser Ausweg wäre so perfekt, daß die gendermainstreamenden Individuen germanistischer Fachrichtung nicht einmal mehr Angst haben müßten vor bestimmtem und unbestimmtem Artikel.

Alles ist Neutrum, und die Welt ist gerettet.


Ernst Tirckl-Wolff

Sehr schön.

Und auch die Anrede ließe sich auf solchem Wege geschlechtsneutral ausgestalten: Statt Herr Müller oder Frau Müller - Individuum Müller.


Raymond Zoller

Richtig.

Und die Linken müßten, um mit dem Fortschritt in rechtem Sinne Schritt zu halten und sich den sie überholenden GendermainstreamerInnen bzw. gendermainstreamenden Individuen anzupassen, ihre Anrede entsprechend abändern.

Statt Genosse Müller oder Genossin Müller müßte es nun heißen: Genosse Individuum Müller.


Ernst Tirckl-Wolff

Ausgesprochen richtig

Bloß – wenn ich nun plötzlich ein Individuum mit Hilfe eines Adjektivs näher zu charakterisieren mich genötigt sehe? Bei einfachen Individuen sehe ich keine Probleme: "Das hochverehrte Individuum Wilhelm von Dorten hat uns erzählt…"; oder, als Anrede in einem Brief: "Liebes Individuum Wilhelm von Dorten".

Probleme entstehen aber zum Beispiel dann, wenn besagtes Individuum gleichzeitig Genosse ist. Etwa: Genosse Individuum Wilhelm von Dorten. Worauf bezieht sich dann das Adjektiv? Doch nicht auf das nicht geschlechtsneutrale Genosse? Das darf nicht sein; denn eine Anrede der Art wie "Geehrter Genosse Individuum Wilhelm von Dorten" oder "geehrte Genossin Individuum Rosalinde" darf es in einer gendermainstreamisch fortschrittlichen Sprache nicht mehr geben. Und auch auf "Individuum" kann es sich nicht beziehen, da das Individuum sich dem Genossen in gewisser Weise unterordnet und seine substantivische Selbständigkeit verlieret.

Du hast, wie du siehst, das Problem noch immer nicht gelöst. Streng dich etwas an!


Raymond Zoller

In solchem nicht auszuschließendem Falle würde ich vorschlagen, das "Genosse" zu adjektivieren. Um bei deinem Beispiele zu bleiben, hätten wir da: "Geehrtes genossenhaftes Individuum Wilhelm von Dorten; bzw. "Geehrtes genossenhaftes Individuum Rosalinde".


Ernst Tirckl-Wolff

Womit das Problem denn wohl doch für alle Zeiten gelöst wäre?


Raymond Zoller

Wenn du weiter nichts mehr zu meckern hast, kann man es als gelöst betrachten


Ernst Tirckl-Wolff

Dann ist es gut


Raymond Zoller