Die Klamurke Soziales

Scheinprojekte und ihre Wurzeln

In einem Forum, wo man eigene und fremde Projekte vorstellen kann, gab es auch eine Ecke für „Scheinprojekte“; d.h. wo man sich über Initiativen auslassen konnte, die einem als Augenwischerei oder, eben, Scheinprojekte vorkamen. – Mit solchen Scheinprojekten kam ich massenweise in Berührung; doch statt ein solches darzustellen und zu besprechen, versuchte ich stattdessen, den Ackergrund näher in Augenschein zu nehmen, aus dem solche Scheinprojekte herauswachsen.

Sicher wäre es interessant, einmal den Boden zu untersuchen, der solche Scheinprojekte hervortreibt.

Die Entwicklung eines echten „Projektes“ ist ja ein sehr komplizierter, sehr sublimer Prozeß; und es stellt hohe Anforderungen an Wahrnehmungsvermögen, Denkvermögen, Sprachvermögen, um das, was ist, was möglich ist und wohin man in Wechselwirkung mit den Bedingungen gemeinsam weiter will richtig zu erfassen und sachgemäß zu formulieren.

Hier liegt nun das Problem, daß der heutige Mensch am liebsten in Schlagworten „denkt“ und häufig auch nur Schlagworte „verstehen“ kann. Und selbst eine Projektgemeinschaft, welche das „dynamische Sein“ ihrer gemeinsamen Tätigkeit (wenn man det mal so nennen darf) sachgemäß erfassen und darstellen kann, steht dann trotzdem vor der Notwendigkeit, irgendwelche allgemeinverständliche Schlagworte, Schubladen zu schaffen: da sie sich sonst nämlich nicht verständlich machen können (auch bei den Schlagworten kann man, streng genommen, nicht vom „Verstehen“ reden; aber immerhin sind das für den Hörer oder Leser vertraute Wortlarven, die er „schwarz auf weiß nach Hause tragen“ kann).

So daß allein schon die vertrackte verknöcherte Erkenntnis- und Sprachsituation selbst die Gutwilligsten, wenn sie sich an die Öffentlichkeit wenden und nach Fördermitteln Ausschau halten, zum Flunkern zwingen.

Solches erzwungene eindrucksschindende Schubladisieren wirkt natürlich zurück auf die Entwicklung des Projekts selbst; kann es aushöhlen und vertrocknen; so weit aushöhlen und vertrocknen, daß zum Schluß nur noch die äußere – vielleicht sogar großzügig finanziell geförderte – Larve übrig bleibt, und darunter: nichts.

Außer den Gutwilligen, die durch den Schubladisierungszwang ins Schleudern gebracht werden, gibt es dann noch die weniger gutwilligen, die von vornherein nicht die Absicht haben, sich in unnötigem Tätigsein zu verzetteln. Die erstellen einfach ein mit wohlgesetzten eindrucksvollen Schlagworten gespicktes Programm, mit dem sie dann die fördermittelvergebenden Instanzen abklappern; und sehr viel leichter haben es diese fundraising-Spezialisten mit ihren Programm-Maskeraden, als die armen Kerle, die versuchen, das Programm als Ausdruck ihrer tatsächlichen Bestrebungen auszuformulieren. Denn erstere sind in ihrem eigentlichen Element, und kein störender Inhalt ist da, der sie dabei stören könnte, die Schlagworte so zu wählen und zu setzen, wie es für die Fördermittelbeschaffung von Nutzen ist.

Solche Projektmasken hab ich in Rußland und auch in Georgien auf Distanz wieauch aus der Nähe massenweise erlebt; wie ich auch Menschen erlebt habe, die von solchen Maskeraden sehr gut lebten. Doch warum sollen sie nicht gut leben, wenn die Fördermittelverteiler bereit sind, ihnen ein solches Leben zu erlauben? Und sozial relevant ist ihre Tätigkeit zumindest insofern, als sie den Fondsmitarbeitern die Illusion verschaffen, das von ihnen verwaltete Geld sinnvoll einzusetzen oder ihnen zumindest die Möglichkeit geben, es sinnvoll zu verbuchen.

Natürlich habe ich daneben auch Menschen erlebt, die tätig sein wollten und auch über entsprechende Fähigkeiten verfügten und die nix machen konnten, weil sie kein Geld bekamen; aber so ist nun mal das Leben.

Wäre natürlich einer umfassenderen und gründlicheren Untersuchung wert; belassen wir es aber mal bei diesen paar Andeutungen.

Hier noch ein Link zu einer kurzen Notiz, wo ich das zugrundeliegende Problem in etwas anderem Zusammenhang aufgriff.

Zusammen mit verschiedenen weiteren Sachen aus dem näheren und ferneren Umfeld des Themenkreises „Bedingungsloses Grundeinkommen“ wurden obige Anmerkungen in einer PDF-Datei zusammengefaßt, die man hier herunterladen kann.