Die Klamurke Sprachliches

Anmerkungen zu "Prätentiös"

– Fachleute, die sich in ihrem Fach souverän auskennen, benutzen bei der Verständigung untereinander häufig eine Art Zeichensprache – isolierte Wörter oder Wörtergruppen, ohne sonderliche syntaktische Bindungen – mit denen sie die Aufmerksamkeit des Gesprächspartners auf ihm gut bekannte Sachverhalte lenken. Das ist für die Verständigung untereinander in Ordnung; für Darstellungen hingegen, die Nichtfachleuten ihnen unbekannte Zusammenhänge klarmachen sollen, ist das weniger geeignet; da müßte man sich dazu bequemen, von der Zeichensprache zur Sprache überzuwechseln.

Verfehlt wäre es, einen solchen Fachjargon als „unprätentiöse Sprache“ zu bezeichnen: Denn das ist nun mal, in eigentlichem Sinne, keine Sprache, sondern, eben: Zeichensprache. Und kein vernünftiger Mensch würde von einem Fachmann verlangen, „prätentiös“ zu werden. Prätentiosität ist eigentlich eher das Element von Nichtfachleuten, die durch geschwollene Worte ihre Inkompetenz und innere Leere zu überspielen suchen.

Etwas völlig anderes die disziplinierte, in sich stimmige (man könnte sagen: egomorphe) Sprache, die aus dem Inhalt lebt, sich aus ihm gestaltet.

Für den ungeübten Hörer und Leser mag es auf Anhieb nicht immer einfach sein, prätentiösen Jargon von inhaltsgesättigter Sprache zu unterscheiden; und wo es ihm zu kompliziert wird, neigt er leicht dazu, eine inhaltsvolle Aussage als „prätentiös“ abzutun. Und für den prätentiösen Jargon-Jonglierer ist die inhaltsgesättigte Sprache eh ein feindliches Element, vor dem sich seine innere Leere bloßgestellt fühlt.

Ein sein Fach beherrschender Fachmann hätte es denn auch gar nicht nötig, „prätentiös“ zu werden; er müßte nur, wenn er sich an Nichtfachleute wendet, von der fachinternen Zeichensprache zur Sprache wechseln.

(drei Bereiche tönen also an: 1) Fachjargon als gegenstandsbezogene Zeichensprache – 2) prätentiöser Jargon als gegenstandslose Effekthascherei – 3) inhaltsgesättigte Sprache im eigentlichen Sinne. - Dies mal so dahingepfahlt)

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Anmerkung 1: „Prätentiös“ kommt vom Lateinischen „praetendere“, wasda bedeutet „Anspruch erheben, fordern“ oder irgendwat in der Richtung. Dem prätentiös „sprechenden“ geht es nicht darum, seine Gedanken zum Ausdruck zu bringen, sondern er erstrebt, „fordert ein“ das Entstehen eines bestimmten Eindrucks.

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Anmerkung 2: Angeregt zu obiger Notiz wurde ich durch die danebengeratene Verwendung des Wortes "prätentiös" in einem Brief, den ich erhielt. Inzwischen hab ich mir mal via Google angeschaut, wie man dieses Wort denn im allgemeinen sonst so verwendet; und det war nu echt schlimm: Unter den zahllosen angeschauten Textstellen mit dem Wort "prätentiös" (hab mir natürlich längst nicht alles angeschaut) entdeckte ich keine einzige, wo dieses Wort angebracht wäre. Alles: gedankenloser prätentiöser Krampf (vermutlich das erste mal in meinem Leben, daß ich besagtes Wort, außer zu Erklärungszwecken, selbst benutze). Solchem Volks möchte man raten: lernt doch erst einmal Deutsch, bevor ihr es mit Fremdwörtern versucht! Iss doch zum Verrücktwerden, sich mit solchem Wörterbrei herumschlagen zu müssen! [für "prätentiöses" Verhalten kann man im Deutschen übrigens, unter anderem, den gängigen Ausdruck "Eindruck schinden" benutzen, während das Wort "prätentiös" selbst immer etwas gestelzt und unnatürlich und mitunter, eben: "prätentiös" wirkt. Eines jener Fremdwörter, die sich aufteufelkommraus nicht ins Deutsche integrieren lassen und die im Grunde auch gar nicht integriert werden müssen, da sie völlig überflüssig sind]

[Aus einer Reihe von Gründen wurde vorliegende Notiz vor längerer Zeit aus einer größeren Notizensammlung auf diese eigene Seite rüberkopiert. Die Gründe sind inzwischen nicht mehr aktuell; doch da die Suchmaschinen sich an die Seite gewöhnt haben, lassen wir sie mal leben. Wer über das Suchwort „prätentiös“ auf jene Notizenseite wollte, kann sich über vorliegendes Link dorthin begeben]

Raymond Zoller