Die Klamurke Sprachliches

Unpersönliches Subjekt im Deutschen und im Russischen

Der Einfachheit halber unterscheide ich zwischen

Allgemeinem unpersönlichen Subjekt (welches zum Ausdruck bringt, daß ein Vorgang – der es dabei selbst nicht bis zum Subjekt bringt – stattfindet, ein Tatbestand vorhanden ist)

und

personenbezogenem unpersönlichem Subjekt

Das allgemeine unpersönliche Subjekt erscheint im Deutschen normalerweise als „es“: Es ist schönes Wetter. Es regnet. Es hat sich nun mal so ergeben. Es waren einmal zwölf Räuber. – Meist erscheint dieses unpersönliche Subjekt in der dritten Person Einzahl; wo es sich stärker in das Satzganze hineinverkörpert auch mal in der dritten Person Mehrzahl [über den Daumen gepeilt scheint mir, daß das Mehrzahl-„Es“ in der Regel – nicht immer – eine instabile Subjektverkörperung sein dürfte, die entweder heraus ins Allgemeinere oder hinein ins Speziellere strebt. Zum Beispiel: „Es sind Probleme zu erwarten.“ – Für ein feineres Stilempfinden steckt in diesem Satz eine leichte Holprigkeit: irgendwas stimmt nicht (könnte näher analysiert werden; doch sei es mal so dahingepfahlt). Zieht sich das Subjekt heraus ins noch Allgemeinere („Es dürfte Probleme geben“) oder geht tiefer hinein ins Bestimmtere („Probleme sind zu erwarten“), so ist die Holprigkeit weg.]


Im Russischen überschwebt das allgemeine unpersönliche Subjekt das Satzganze, ohne „sichtbare Verkörperung“.

Anhand oben angeführter Beispiele:

Es ist schönes Wetter. – Погода хорошая. (nebenbei bemerkt: bei bestimmter Betonung, im Schriftlichen eventuell angedeutet durch einen Gedankenstrich, kann «погода» bei gleichbleibender Wortstellung zum Subjekt werden: «Погода – хорошая»)

Es regnet. – Дождь идет. – Im Russischen haben wir in diesem Fall nicht das „allgemeine Subjekt“; als Subjekt fungiert das bestimmte «дождь».

Es hat sich nun mal so ergeben: Вот так получилось.

Es waren einmal 12 Räuber: Жило двенадцать разбойников. – Beim Gebrauch der Zahlwörter macht das unpersönliche Subjekt sich sehr penetrant und sehr kompliziert bemerkbar (nach Zahlwörtern werden die abgezählten Gegenstände & Personen eher selten im Nominativ ausgedrückt). Ein anderes Beispiel aus einem Gedicht, das mir grad einfällt: Нас было семьдесят тысяч пленных.


Das personenbezogene unpersönliche Subjekt erscheint im Deutschen als „man“, im Russischen, je nach Nuance, in den allerverschiedensten Formen:

Sowas tut man nicht! – Так не поступают!

Darf man da hineingehen? – А войти туда можно?

Wie kriegt man dieses Schloß auf? – Как этот замок открывается?

Nachfolgend aus dem Sprachenportal herauskopierte und sonstige zum Thema gehörende Anmerkungen; die Liste wird nach und nach ergänzt

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Bei besonderer Betonung des Prädikats durch Voranstellung wird im Deutschen die Betonung noch zusätzlich durch das unpersönliche „es“ verstärkt; anders geht das gar nicht. Im Russischen ändert sich in solchem Fall nur die Satzordnung, sonst bleibt alles gleich.

Man vergleiche:

Разлилось … припонтийское Дикое Поле – Es hat sich ergossen das am Pontos gelegene Wilde Feld

mit dem lahmeren, banal-sachlichen

Припонтийское Дикое поле разлилось – Das am Pontos gelegene Wilde Feld hat sich ergossen

(Anmerkung zu Волошин, «Дикое поле»

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Много дум в голове родилось у него – Die Form «родилось» hat damit zu tun, daß hier ein unpersönliches, den Satz gewissermaßen überschwebendes Subjekt im Spiel ist. In Deutsch, mit ähnlichem unpersönlichem Subjekt, etwa: „Es wurden bei ihm viele Gedanken geboren…“ Die Mehrzahl im Deutschen (im Russischen: Neutrum Einzahl) hat damit zu tun, daß das deutsche unpersönliche Subjekt tiefer in das Geschehen eintaucht und die einzelnen Akteure selbständiger werden läßt, während im Russischen das unpersönliche Subjekt die Tatsache wie von außen fertig hinstellt.

(Anmerkung zu Навроцкий: "Утёс"

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Anmerkung zu unstimmigem Umgang mit dem unpersönlichen Subjekt anhand eines Beispiels

Wird, wie alles weitere auch in dieser Abteilung, bei Vorhandensein von Zeit und Kraft erweitert, ergänzt, systematisiert; später vielleicht noch unter Hinzuziehung des sehr interessanten polnischen unpersönlichen Subjekts (da muß ich leider nachschlagen und kann det nicht so einfach aus dem Ärmel schütteln, da mein Polnisch nicht ganz auf der Höhe ist; mit Überlegungen zu stilistischen Feinheiten werd ich da sicher niemanden belästigen)

Raymond Zoller