"Da verließen die Dämonen den Menschen und fuhren in die Schweine; und die ganze Herde stürzte sich vom Bergeshang hinab in den See und ertrank."
Kein Mensch weiß, wie oft solche Worte, wie sie da stehen im Evangelium nach Lukas achtes Kapitel zweiunddreißigster bis sechsunddreißigster Vers seit den Zeiten ihrer Niederschrift von gedankenlosen Pfarrern und Pastoren abgelesen wurden, ohne dass man gedacht hätte des entsetzlichen Schicksals, welches ereilte den Papageienhändler Joshua Zederbaum.
Wir aber wollen jenes Schicksals gedenken und ihm, den man übersah, ein Denkmal errichten, welches weder dieser noch kommender Generationen Gleichgültigkeit dem Nebel des Vergessens überantworten kann und welches leuchtend künden soll von menschlicher Tragik, die auch dort am Wirken ist, wo der Blick des Geschichtsschreibers durch eine ragende Felsenwand abgehalten wird und die somit im Schatten der Geschichte verbleibt, so sich nicht spätere Chronisten finden, welche sich ihrer erbarmen.
Einst begab es sich, dass Joshua Zederbaum mit seinem Schiffe, welches über und über mit Papageien beladen war, neben einer schroff aus dem Wasser ragenden Felsenwand vor Anker lag. Die Segel waren gerefft, die Papageien saßen in Käfigen und gedachten der Freiheit, derer man sie beraubt hatte, und Joshua Zederbaum lag mit hinter dem Kopf verschränkten Händen rücklings auf dem mittleren Deck und gedachte der schönen Susanna, welcher er bei nächster Gelegenheit einen besonders bunten Papagei schenken wollte, um sie zu betören. Eine leichte Brise schaukelte das Schiff und zerrte an der Ankerkette, in der Luft schwebten Möwen, und insgesamt war es sehr angenehm und friedlich.
Plötzlich ward sein Blick wie magisch angezogen vom oberen Rande der Felsenwand. Ein zappelnes Gebilde schoss hinaus über diesen Rand und begann sogleich, mit großer Geschwindigkeit sich nach unten zu bewegen. Wie es näher kam, da sah er, dass es ein Schwein ist; und Staunen erfasste ihn. Und ein weiteres Gebilde löste sich vom oberen Rande, in dem er sogleich ein zweites Schwein erkannte; und gleichzeitig hörte er ein platschendes Geräusch, und Spritzer flogen ins Schiff und machten ihn nass. Er verstand, dass das erste Schwein ins Wasser gefallen ist; und gleich darauf klatschte und spritzte es ein zweites Mal. Vom oberen Rande lösten sich vier weitere Schweine und kamen zielstrebig nach unten. Dann nochmal zwei; und plötzlich zehn auf einmal; dann drei; es klatschte und spritzte in Salven; immer mehr Schweine machten sich, einzeln und in Gruppen, auf den Weg; und schon fiel eins aufs Vorderdeck, zerstörte drei Papageienkäfige und drückte zwei Papageien platt. Und aufs Hinterdeck fiel eins und zertrümmerte fünf Käfige; wobei ein Papagei entflog und zweien die Schwänze abgerissen wurden. Und auch aufs Mitteldeck fiel eins und hätte um ein Haar Joshua plattgedrückt; immer mehr Schweine kamen und immer mehr; ringsum spritzten Wasserfontänen; das Schiff dröhnte und zitterte von nicht mehr zu zählenden Treffern. Selbst im Mastkorb hing ein Schwein; immer mehr Käfige wurden zertrümmert; immer mehr Papageien entflogen oder wurden plattgedrückt. Unter Einsatz seines Lebens versuchte Joshua, den Anker zu lichten, jeden Augenblick gewärtig, von einem Schwein erschlagen zu werden – als das Bombardement plötzlich schwächer wurde und immer schwächer; weniger und weniger spritzten die Fontänen, immer weniger Schweine knallten auf das Schiff – und plötzlich war Ruhe. Als Joshua gen Himmel blickte, um seinem Gott für die Rettung zu danken, gewahrte er noch ein einzelnes Schwein, das kurz darauf ins Wasser klatschte, und dann kam nichts mehr.
Stille trat ein. Gespenstische Stille.
Joshua aber war ein anderer worden in diesen Minuten. Finster glitten seine Augen über die Trümmer der Papageienkäfige, über die plattgedrückten Papageien und die abgerissenen Papageienschwänze; und mit fester Hand machte er sich daran, den Anker zu lichten und Segel zu setzen. Langsam und unbeirrt richtete das Schiff seinen mächtigen Bug in Richtung offene See; die frische Brise blähte die Segel; und in kraftvoller Bewegung glitt es hinaus, hinweg von dieser schrecklichen Felsenwand.
Kein Mensch hat Joshua Zederbaum seitdem mehr gesehen. In sturmgepeitschten Nächten aber, wo der Schiffer nur mit Müh sein Fahrzeug in dem wilden und brausenden Elemente zu behaupten vermag - da kann es passieren, dass aus der tobenden Gischt ein gar wundersames Schiff auftaucht; ganz eingehüllt in phosphoreszierendes Leuchten und verfolgt von einem Schwarm wirbelnder Dämonen. In seinem Mastkorb hängt ein Schwein, und um den Hauptmast flattert ein Papagei, der unablässig quiekende Laute ausstößt.
Der Schiffer aber, dem solche Begegnung widerfährt, schüttelt den Kopf, was es doch für merkwürdige Dinge auf der Welt gibt, und setzt unbeirrt seinen Kurs fort.