Die Klamurke Belletristik

Die Landung

Eine Landung auf dem Mars ist, wenn man zu landen versteht, überhaupt nicht schwierig. Wenn man es hingegen nicht versteht, kann es Probleme geben.

Krüggelmeier verstand nicht zu landen, weder auf dem Mars noch sonstwo; und während er mit wachsender Geschwindigkeit die eisglatten Treppenstufen entlangrutschte, gedachte er mit Grausen des harten Bürgersteigs, auf dem er unten am Fuße der Treppe in Bälde aufschlagen wird.

– „Wäre die Treppe weniger hoch, oder wäre ich nicht an ihrem oberen Ende ausgerutscht, sondern weiter unten, so wäre das vielleicht gar nicht so schlimm“, – dachte er. – „Um sehr vieles schlimmer wäre es dafür, wenn ich am oberen Ende der Treppe eines dieser aztekischen Heiligtümer ausgerutscht wäre oder in Wolgograd oben auf der Treppe, die auf den Mamai-Hügel führt.“ – Da die Treppe mit einer dicken Schicht aus Schnee und Eis überzogen war, konnten die Kanten der Treppenstufen ihm nicht viel anhaben; aber sie machten sich doch schmerzhaft bemerkbar. – „Die Treppe auf den Mamai-Hügel ist, scheint’s, durch Treppenabsätze unterbrochen“, dachte er. – Er war schon lange nicht mehr in Wolgograd gewesen und auch nicht auf dem Mamai-Hügel, und deshalb konnte er sich nicht mehr genau erinnern, was das für eine Treppe ist; er wußte nur noch, daß sie, ob mit Absätzen oder ohne, ganz schön hoch ist.

Der Bürgersteig war, wie sich bei der Ankunft herausstellte, zur Straße hin stark geneigt und zudem, gleich der Treppe, mit einer dicken Eisschicht überzogen; so daß die kinetische Energie, statt in dem befürchteten schmerzhaften Aufschlag, sich in weiterer Fortbewegung entladen konnte. Über den Rand des Bürgersteigs hinweg trug es ihn hinaus auf die Straße; und da auch die Straße spiegelglatt war – er wunderte sich, wie da überhaupt Autos drauf fahren können – rutschte er über sie dahin auf die andere Seite, hinein in einen Kanalisationsschacht, von dem man aus unbekannten Gründen den Deckel entfernt hatte.

Und weg war er.

© Raymond Zoller
Zur russischen Fassung





Diesen Text findet man, neben vielen anderen, in dem Taschenbuch

Raymond Zoller

Wie ich den König vom Pferd schubste

und sonstiges Episodisches

RaBaKa-Publishing, Edition Ivata
Erscheinungstermin: Juni 2013
Preis: 16,90 €
Seitenzahl: 196
ISBN: 978-3-940185-25-9


[Sollte der vom Pferde geschubste König über den Buchhandel nicht mehr erhältlich sein, so kann man es über den
Vertrieb des Seminar-Verlags
versuchen. Auf der durch das Link angesteuerten Seite ganz nach unten scrollen; dort findet man ihn]

Die Erzählungen kennzeichnet eine für Zoller typische inhaltliche Unernsthaftigkeit, kombiniert mit einer streng durchgestalteten Form. Die Szenen und Orte der Erzählungen reichen hinein ins Reich des Fantastischen; aber auch ganz normale Alltagsszenen weiß der Autor ins Absurde zu führen. Seine Protagonisten verhalten sich so, wie es nach Ansicht Zollers nicht allein Romanfiguren gut stände, sondern auch dem regelkonformen „Zivilisationisten“.

(Erika Reglin-Hormann)

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