Die Klamurke Belletristik

Die zwei Tassen




Es begann damit, daß von einem Tablette, welches eine Kellnerin in der Hand hielt und welches in der Folge mitsamt der stolpernden Kellnerin zu Boden stürzte, ihm zwei Tassen Kaffee auf den Kopf fielen und ihn naß machten. Während des Fallens hatte die Kellnerin einen spitzen Schrei ausgestoßen, und das auf den Boden aufschlagende Tablett sowie die zerschellenden Gläser und Tassen hatten geklirrt und gescheppert.

Wie er sich umwandte, lag die Kellnerin bäuchlings hinter seinem Stuhl, und auf ihrem Rücken stand eine Kaffeetasse. Er verstand, daß das eine von den Tassen war, deren Fall er mit seinem Kopfe aufgefangen und welcher er somit die weiche Landung auf dem Rücken der sie überholenden Kellnerin ermöglicht hatte. Obwohl die Tasse leer war, nahm er sie vorsichtig hoch und stellte sie vor sich auf den Tisch. Dann fragte er die Kellnerin, ob sie verletzt sei. Die Kellnerin sagte, sie wisse es nicht und stand dann langsam auf. Ein Herr, der etwas weiter weg saß und auf dem Scheitel einen großen Fleck aus Schlagsahne hatte, wandte sich um rief, das sei eine Frechheit, und er werde sich bei der Geschäftsführung beschweren. Vermutlich hatte auf dem Tablett eine Sahnetorte gelegen, die beim Zubodengehen bis zu diesem Herrn geflogen und auf dessen Kopfe gelandet war.

Die Kellnerin stand wieder auf den Beinen und schaute sich verwirrt um. Sie hatte langes blondes Haar und war sicher nicht viel älter als zwanzig. Sie gefiel ihm sehr; und deshalb trug er ihr auch nicht nach, daß sie ihn naßgemacht hatte. Mit einer energischen Bewegung zog er seinen kaffeedurchtränkten Pullover aus, schnappte sich das am Boden liegende Tablett und begann, die etwas größeren Scherben einzusammeln. Die Kellnerin eilte hinter die Theke und erschien kurz darauf mit Schaufel und Besen. Gemeinsam sammelten sie die Scherben ein und wischten den Boden auf. Die andern Gäste schauten wortlos und erstaunt zu; und nur der Herr mit dem Sahnefleck wiederholte in kurzen Abständen, daß das eine Schweinerei ist und daß er sich beschweren wird.

***

Dieses harmlose Ereignis aber sollte für ihn im Weiteren die fatalsten Folgen haben. Nämlich heiratete er jene Kellnerin und wurde in der Folge bis an sein frühes Ende von ihr auf das entsetzlichste tyrannisiert; und manchmal dachte er, wie schön es doch wäre, wenn ihm damals diese beiden Tassen nicht auf den Kopf gefallen wären.




© Raymond Zoller
Zur russischen Fassung





Diesen Text findet man, neben vielen anderen, in dem Taschenbuch

Raymond Zoller

Wie ich den König vom Pferd schubste

und sonstiges Episodisches

RaBaKa-Publishing, Edition Ivata
Erscheinungstermin: Juni 2013
Preis: 16,90 €
Seitenzahl: 196
ISBN: 978-3-940185-25-9


[Sollte der vom Pferde geschubste König über den Buchhandel nicht mehr erhältlich sein, so kann man es über den
Vertrieb des Seminar-Verlags
versuchen. Auf der durch das Link angesteuerten Seite ganz nach unten scrollen; dort findet man ihn]

Die Erzählungen kennzeichnet eine für Zoller typische inhaltliche Unernsthaftigkeit, kombiniert mit einer streng durchgestalteten Form. Die Szenen und Orte der Erzählungen reichen hinein ins Reich des Fantastischen; aber auch ganz normale Alltagsszenen weiß der Autor ins Absurde zu führen. Seine Protagonisten verhalten sich so, wie es nach Ansicht Zollers nicht allein Romanfiguren gut stände, sondern auch dem regelkonformen „Zivilisationisten“.

(Erika Reglin-Hormann)

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