Die Klamurke Belletristik

Eugen Winkelried und Stenka Rasin




Vorbemerkung

Geschichtswissenschaftlich betrachtet ist unten wiedergegebener Text fragwürdig; und sei es auch nur aus dem Grunde, weil Stenka Rasin mehrere hundert Jahre später lebte als Eugen Winkelried (welchletzterer zudem Arnold Winkelried hieß und nicht Eugen Winkelried, obwohl Eugen Winkelried viel besser klingt).

Nachsehen in meinem Besuchertracker zeigte nun, daß so manchereiner via Google bei diesem, eben, fragwürdigen Machwerk landet auf der Suche nach Information über Stenka Rasin oder auch nach dem Text des Stenka-Rasin-Liedes. Da ich bei Google mit meinen ernsten und auch weniger ernsten Sachen offenbar hoch im Kurs stehe und ebenselbiger Text ganz vorne bei den Suchergebnissen erscheint, passiert det nu mal.

Um mein Gewissen zu beruhigen habe ich nun im Sprachenportal Abhilfe geschaffen: Nämlich hab ich dort eine in waschechtem Deutsch verfaßte kurze ernstgemeinte und in ernstem Tone verfaßte Beschreibung der geschichtlichen Umstände veröffentlicht, in welche jener Stenka Rasin verwickelt war, und weiter dann den Text des Stenka-Rasin-Liedes in waschechtem Russisch mit kommentierter deutscher Übersetzung; so daß man, falls man eben dies suchte, alles zusammen nun finden kann.

[Nachbemerkung März 2015: Jenes Sprachenportal wurde inzwischen aufgelöst; der russische Originaltext mitsamt kommentierter Übersetzung und sonstiger Information zog um in ein PDF, welches man nun hier herunterladen kann]

Von einer Richtigstellung bezüglich Eugen Winkelried sehe ich ab; erstens weil mir im Tracker nichts Richtigzustellendes auffiel; und zwotens, weil ich fast nix über ihn weiß.

In jungen Jahren zog es Eugen Winkelried über die Grenzen der Schweiz hinaus in jenen Teil der Welt, wo die Ausländer leben; und auf diesen Wanderungen kam er einstens auch in das Reich der Moskoviter. Und wie er dorten an einem großen Strome entlangspazierte, den man Wolga nennt, da begegnete er dem kosakischen Rebellen Stenka Rasin, dessen Verhältnis zur Obrigkeit ein ausgesprochen ausländisches war. Stenka Rasin stand neben seinem Schiffe, von dem aus er seine Spießgesellen zu ihren obrigkeitsfeindlichen Untaten anzufeuern pflegte, und blinzelte in die Sonne; etwas abseits stand ein Galgen, an dem drei Bojaren hingen sowie ein Bote, den der Zar ins Lager der Rebellen geschickt; und ringsum am Ufer und auf den Schiffen lagen wirr verstreut die Kosaken und ruhten aus von ihren Missetaten.

Eugen Winkelried trat auf Stenka Rasin zu und sagte auf Schwyzerdüütsch: "Grüß Gott. Ich bin Eugen Winkelried."

"Angenehm," antwortete Stenka Rasin auf Ausländisch. "Ich bin Stenka Rasin. Willst du einen Wodka?"

"Nein danke," sagte Eugen Winkelried." Ich trinke nur Kirschwasser."

"Aber vielleicht willst du was essen?"- fragte Stenka Rasin. "Sicher hast du Hunger von der langen Reise?"

"Gerne," antwortete Eugen Winkelried.

Sie gingen aufs Schiff; und Stenka Rasin machte sich daran, einen Hammel zu braten. "Leider habe ich keine Frau dabei und muß alles alleine machen," entschuldigte er sich. - "Ich hatte eine; doch warf ich die letzte Woche über Bord."

- "Von dem Vorfall ward mir berichtet," antwortete Eugen Winkelried und verschwieg, was er von der Sache hielt. Typisch Ausländer!

"Du scheinst eine weite Reise hinter dir zu haben," bemerkte Stenka Rasin, als sie schließlich zu Tische saßen. "Darf man fragen, woher du kommst?"

"Ich komme aus der Schweiz," antwortete Eugen Winkelried würdevoll."

"Aus der Schweiz?" - fragte Stenka Rasin kauend. "Nie gehört."

"Es ist das einzige Land der Welt, das nicht Ausland ist," sagte Eugen Winkelried.

"Interessant..." Stenka Rasin nagte den letzten Bissen von der Keule, die er in der Hand hielt, und warf sie hinter sich auf den Teppich. "Und gibt’s viele Bojaren bei euch?"

"Wir verfügen über eine wohlorganisierte Obrigkeit, welche in selbstaufopfernder Weise für Recht sorgt und für und Ordnung," rief Eugen Winkelried streng und blickte finster den Rebellen an.

"Ich meinte ja nur...", antwortete Stenka Rasin erschrocken.

"Vielen Dank für das Essen," sagte Eugen Winkelried und stand auf.

Stenka Rasin geleitete seinen Gast von Bord. "Vielleicht besuch ich dich mal in der Schweiz," sagte er zum Abschied. "Da mußt du dir aber ein Visum besorgen und einen ordentlichen Paß" antwortete Eugen Winkelried und ging davon; und nie wieder ward er in dem Lager der kosakischen Rebellen gesehen.

Stenka Rasin aber ward von einer tiefen Ratlosigkeit befallen; und um sich daraus zu befreien, trank er fünf Glas Wodka und legte sich dann schlafen.




Die Entstehungsgeschichte dieses Zyklus über den schweizerischen Helden Eugen Winkelried ist folgende: Irgendwo hörte ich ein Soldatenlied über besagten Helden. Das Lied war, wie bei Soldatenliedern üblich, saudumm; doch aus irgendwelchen Gründen schien mir, als könne man es auch noch dümmer machen. Und so setzte ich mich an die Arbeit.

[als dann alles schon fertig geschrieben war und mir weiter nichts mehr einfallen wollte, erfuhr ich, daß jener Held nicht Eugen geheißen hat, sondern Arnold. Aber das macht nichts.]

In der Rahmenstruktur „Vermischte Prosa“ findet man auf der Linkleiste die Abteilung „Eugen Winkelried“ mit weiteren Winkelried-Texten.

© Raymond Zoller
Zur russischen Fassung