eine literarische Erörterung
zu dem Opus „Das Schwert des Eugen Winkelried“
von Balthasar Kuckuck
Mit erschütternder Eindringlichkeit erschließen sich uns in dem Epos "Das Schwert des Eugen Winkelried" die schweizerische patriotische Gesinnung sowie die mit ihr verbundene tiefe Tragik, welche das Leben des Helden Winkelried und des von ihm vertretenen und verteidigten Schweizervolkes unerbittlich durchzieht.
Im Schwerte haben wir das Symbolum für scharfes, mutvolles Denken; und wenn der Held mit diesem Schwerte schmerzvoll die Finger blutig sich schneidet, so erscheint uns in diesem Bilde der tragische Schattenwurf einer jeden energischen Denktätigkeit, welcher in dem betrüblichen Umstande besteht, daß das Denken zu den unerfreulichsten Entdeckungen führen kann in Bezug auf unser Drinnenstehen im allgemeinen Weltgeschehen; daß gar Heilig-Gegebenes sich plötzlich jeglicher Grundlage beraubt sehen kann und im Abgrund der Bodenlosigkeit zu zerbrechen droht.
Um aber solch seelischen Verletzungen und inneren Krisen zu entgehen, legt der Held in konsequentem und verantwortungsvollem Patriotismus sein Schwert beiseite; was aber heißt: er läßt das Denken sein.
Doch das Leben ist hart und stellt seine Forderungen. Probleme tauchen auf, die man - so als Privatmann, so als Patriot - nicht umhin kommt zu behandeln; und was bleibt unserem Helden da anderes übrig, als zu denken? Er nimmt also sein Schwert wieder hervor, schwingt sich auf ins Reich des Denkens; und da es in diesem Reiche tragischerweise nichts Vereinzeltes gibt und im Gegenteil alles mit allem zusammenhängt, ergeben sich dem energischen Fechter mit seinem scharfem Schwerte neben dem Angriff auf die anstehenden Probleme auch sogleich Ausblicke, die seine wohlgefügte Welt mit ihren altvertrauten Idealen in Frage stellen wollen; in anderen Worten: Er schneidet sich in die Finger.
In diesem Eposse wird der mit der Unumgänglichkeit des Denkens verbundenen tiefen Tragik, die das Leben des schweizerischen Volkes wie auch das Leben vieler anderer Völker unerbittlich prägt, ein würdiges und unvergeßliches Denkmal gesetzt. Dem Autoren sei hierfür unser tiefster Dank ausgesprochen.
Balthasar Kuckuck