Die Klamurke Soziales

Aus geistigen Zeiten

Vorbemerkung:)

Ein zutiefst geistloser und ungeistiger Mensch bin ich; bin es und bleib es und will es nicht ändern. Trotzdem hab auch ich zwischendurch immer wieder mit geistigen Menschen und geistigen Zusammenhängen zu tun; und da meine notorische Ungeistigkeit partout nicht mit jener Geistigkeit zusammenpassen will, geht das jeweils schief.

Im Nachfolgenden vermischte Dokumentation aus mißglückten Ausflügen ins Reich des Geistes.

Es geht da um Bücher von Rudolf Steiner und Herbert Witzenmann wieauch um Anthroposophen und Anthroposophie. - Um Mißverständnissen vorzubeugen sei deswegen ausdrücklich betont: Ich bin kein Anthroposoph, war es nie und werde es nie sein; behalte mir aber vor, im stillen Kämmerlein, rein privat und unbehelligt von fanatischen Anthroposophen und Antianthroposophen, Bücher erwähnter Autoren zu studieren.

Die find ich nämlich echt gut. Darf man doch; oder?
Ansonsten, wie schon gesagt: Zutiefst geistlos bin ich und ungeistig.
Prost.

Am 13. Juli 1997 in Moskau geschriebener Brief, darin ein paar wenig bekannte Fakten abseits der üblichen fable convenue zur anthroposophischen Ost-West-Verständigung Mitte neunziger Jahre beleuchtet werden. – Offen genannt werden die Namen einiger Akteure, die einer breiteren oder weniger breiten Öffentlichkeit sowieso bekannt sind, der Rest wird maskiert.
Bei den gleich zu Anfang erwähnten „Tugenden“ handelt es sich um die Witzenmannsche Schrift „Die Tugenden“, die ich Mitte der neunziger Jahre ins Russische übersetzte; eine Übersetzung, die nach erheblichen – vornehmlich durch die deutsche Seite verursachten – Schwierigkeiten im Moskauer Enigma-Verlag erscheinen konnte.

Moskau, den 13. Juli 1997

lieber Reto[*],

hab mich nun schon lange nicht mehr bei Dir gemeldet; was damit zu tun hat, daß die Situation hier recht schwierig und unerquicklich ist und daß nicht viel Positives zu berichten gibt. Eine Übergabemöglichkeit nutzend[1], will ich Dir denn doch mal wieder ein paar Nachrichten - ob positiv oder nicht - zukommen lassen. - Möchte an dieser Stelle noch vor den Nachrichten aus den Medien - auch aus den anthroposophischen Medien - warnen; da geht es mehr um das Schaffen und Aufrechterhalten von Legenden denn um Realitäten. Und allen voran: die lieben Anthroposophen. Was ich in den anthroposophischen Medien über Rußland und vor allem auch über anthroposophische Initiativen in Rußland sah, kann man günstigstenfalls als groben Unfug betrachten[2].

Positiv ganz sicher, daß die “Tugenden” bereits rund 2.500 mal verkauft wurden: die Hälfte der Auflage ist weg. Für die Situation im heutigen Rußland - eine unerhörte Zahl (wenn man bedenkt, daß etwa eine dreibändige Publizistik von Solschenizyn über eine Auflage von 10.000 nicht hinauskommt...) - Das hat sicher sehr stark mit dem guten Ruf und der gut ausgebauten Verteilung des Enigma-Verlags zu tun; anders wäre sowas nicht möglich.

Gleich im Anschluß aber nun eine negative Nachricht: Der Enigma-Verlag ist am Zusammenbrechen. Das hat verschiedene Gründe. Vor allem hängt es damit zusammen, daß durch die wirtschaftliche Krise und die Lohnrückstände (durch die vor allem der potentielle Käuferkreis betroffen ist; die Leute haben einfach kein Geld mehr, sich Bücher zu kaufen; und diejenigen, die flüssig sind, lesen nicht) der Absatz rapide zurückging und somit der gesamte Geschäftsplan durcheinandergebracht wurde. Und im Weiteren hängt es zusammen mit einer unflexiblen Kreditpolitik verschiedener deutscher anthroposophischer Institutionen, die durch gezielte Intrigen noch weiter unterhöhlt wurde. Vor einiger Zeit nahm Petrosjan - der Direktor des Enigma-Verlags - bei der Bochumer GLS-Bank einen Kredit in Höhe von DM 250.000 auf - und kam damit sofort unter Beschuß von Info3. Ramon Brüll beeilte sich, einen diffamierenden Bericht zu schreiben, darin er seinen Schützling XX - der hier dafür bekannt ist, daß er ausschließlich mit westlichen Schenkungsgeldern finanzierte analphabetische Übersetzungen herausbringt, es aber sehr wohl versteht, den des Russischen nicht mächtigen “Wessis” klarzumachen, was für ein toller Vertreter der sechsten nachatlantischen Kultur er ist und daß man ihm das gefälligst entsprechend vergüten soll - nun ja, diesen seinen Schützling XX stellte Ramon Brüll in diesem Artikel als armes übergangenes Opfer dar. Ich schrieb dazu eine Gegendarstellung, in der ich einige Entstellungen zurechtrückte und auf das die im fernen Deutschland leicht zu übersehende Problem der Qualität der Übersetzungen aufmerksam machte[3]. Das wurde dann gedruckt. Da ich aber bei dieser Gegendarstellung keinerlei Beispiele gebracht hatte von Übersetzungsfehlern, machte XX in Deutschland Stimmung: an meinen Behauptungen sei nichts dran. So daß mir nichts anderes übrig blieb, als eine dem deutschen Leser zugängliche Beispielsammlung von Fehlern zusammenzustellen. Solches tat ich im September letzten Jahres. Interessant in diesem Zusammenhang folgendes: Als ich eben mit dieser Arbeit angefangen hatte, schickte ich aus anderem Anlaß ein Fax an Info3 und erwähnte, nur so nebenbei, daß ich nun endlich angefangen habe, meine bislang in der Luft hängenden Behauptungen bezüglich Qualität der XX'schen Übersetzungen mit Beispielen zu belegen. Statt daß man sich aber dort über meine endlich erwachte Gewissenhaftigkeit gefreut hätte, führte das zu einem panischen Anruf von Jens Heisterkamp. Jens legte mir nahe, solches nicht zu tun; und was ich denn für ein Interesse hätte, diesem Menschen seine Existenz zu zerstören; und nach der Veröffentlichung meiner Gegendarstellung habe XX in der Reaktion eh furchtbaren Krach geschlagen, usw... Ich verstand, daß Ramon Brüll gar sehr an der Aufrechterhaltung der von ihm selbst aufgebauten Legende “XX” interessiert ist und von irgendwelchen Realitäten gar nichts wissen will; und daß Jens, des lieben Friedens willen, sich ihm anschließt. Seit jenem Tage aber bin ich bei Info3 unten durch (möglich, daß auch noch andere Verfehlungen eine Rolle spielen; weiß nicht...) Nach diesem Anruf tippte ich eine Skizze zu einem Brief oder Artikel[4], die ich dann aber im Skizzenstadium beließ, weil ich verstand, daß die Leute mehr an Legenden als an Wahrheit interessiert sind; gab das nur an einige unmittelbar Beteiligte zur Zurkenntnisnahme weiter. – […] Das Zusammenstellen von Beispielen war dann nicht sonderlich schwierig. Zu suchen braucht man sie nicht; einfach eine Seite aufschlagen, ein paar Zeilen lesen, und schon hat man den nächsten; es wimmelt nur davon. Machte drei Spalten: Deutsches Original, XX’sche Übersetzung, und Rückübersetzung mit - wo nötig - Kommentar. Drei Bücher schaute ich mir an […]; stellte eine Sammlung von ca. 60 Beispielen zusammen (die bei Durchsicht eines verschwindend geringen Teils zusammenkamen; hätte ich die Bücher ganz durchgesehen, so wäre das bei dieser Dichte in die Hunderte gegangen) und legte das dann ad acta. Schickte die Sammlung[5] an eine Organisation, die damals die Interessen von Enigma etwas vertrat; ob es was genützt hat, weiß ich nicht. Ich leg Dir vier Seiten aus dieser Zusammenstellung bei. Bitte denke nun nicht, daß es mir darum geht, schmutzige Wäsche zu waschen. Das Problem ist, daß XX ganz aktiv in Deutschland Stimmung gegen den Enigma-Verlag macht und daß wir von hier aus keine Möglichkeit haben, dem etwas entgegenzusetzen. So versuch ich, wenigstens ab zu - mehr nebenbei - jemanden per Privatkorrespondenz zu informieren. Ich wage zu behaupten, daß ein Zusammenbrechen des Enigma-Verlags für Rußland eine Katastrophe bedeuten würde[6]. Für Leute vom Schlage eines XX wäre das natürlich - zumindest zunächst - von Vorteil, da sie ihren Dilettantismus mit Hilfe von westlichen Geldern ungestört austoben können, ohne im Hintergrund das böse Gewissen in Gestalt eines professionell arbeitenden Verlags zu haben.

Nunmehr zu weiteren ins Auge gefaßten Übersetzungen von Witzenmann-Texten: Mit solchen Vorschlägen bestürmte ich Klaus Hartmann[7] schon seit Jahren; ohne Resultat; bis ich Ende letzten Jahres zu meiner Überraschung plötzlich erfuhr, daß Frl. K.M. 6000 Mark locker gemacht hat und daß sogar bereits feststeht, was übersetzt werden soll.

Aus Zeitersparnisgründen kopiere ich Dir im Weiteren eine Stelle aus einem Brief an Klaus Hartmann heraus:

[Aus einem Brief an Klaus Hartmann vom 18. Dezember 1996]

Welche Pläne Frl. K.M. mit den Witzenmann‑Veröffentlichungen verfolgt, weiß ich noch immer nicht. Ich hab den Eindruck, daß sie ihre eigene Richtung verfolgt und will mich da nicht einmischen. Irgendwo hab ich was läuten hören, als sei die Veröffentlichung nicht im Enigma‑Verlag vorgesehen Was, wenn's stimmt, recht merkwürdig wäre, da dieser Verlag bei den "Gebildeten" einen recht guten Ruf hat.

Besonders große Bedeutung mess ich dem eh nicht mehr bei. Die vielbeschworene "Weltlage" hat nämlich, abgesehen davon, daß sie Material liefert für von Scharfsinn getragene Beratungen, noch die merkwürdige Eigenart, daß sie real ist und sich entwickelt (oder, je nach Sichtweise: degeneriert)[8]. Vor zwei Jahren oder mehr war ich verzweifelt bemüht, euch zu einer Unterstützung der Herausgabe weiterer Witzenmann‑Texte in russischer Übersetzung zu bewegen. Ohne Erfolg (den ganzen diesbezüglichen Briefwechsel bzw. meine in der Regel ohne Antwort bleibenden Briefe und Faxe könnte man nun als humoristischen Begleitband zu den "Tugenden" veröffentlichen). Hätten meine diesbezüglichen Vorstöße Gehör gefunden, hätte man damals mit ganzer Energie sich daran gemacht, "Verzweiflung und Zuversicht" herauszubringen, so hätte man bei ‑ damals noch nicht so ganz resignierten ‑ weiten Kreisen der Bevölkerung auf Resonanz hoffen können; und man hätte eine Grundlage schaffen können für "Schülerschaft im Zeichen des Rosenkreuzes" und die erkenntniswissenschaftlichen Arbeiten. ‑ Mit den gleichen 6000 Mark, die Frl. K.M. jetzt mit nach Moskau gebracht hat und denen ich vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation weiter keine Bedeutung mehr beimesse, hätte man damals noch etwas bewirken können. Und selbst rein vom verlagstechnischen her hätte diese Summe damals eine ganz andere Bedeutung gehabt; denn zusammen mit der Weltlage haben sich auch die Preise ganz gehörig geändert (wenn damals noch viele ausländische Verlage in Rußland drucken ließen, so ist es heute umgekehrt für russische Verlage zum Teil billiger, im Ausland ‑ darunter auch in Deutschland ‑ drucken zu lassen).

Wenn man sich nun mit ganzer Energie daranmachen würde, "Verzweiflung und Zuversicht"[9] herauszubringen, so könnte man damit sicher nicht mehr den gleichen Effekt erzielen, wie das noch vor 2 oder 3 Jahren möglich gewesen wäre; aber sicher ließen sich auch heute noch viele ansprechen. In einer Veröffentlichung der Arbeiten aus "Intuition und Beobachtung" seh ich hingegen keinen rechten Sinn; die Leute haben heute ganz andere Sorgen; und die allerwenigsten werden in der Lage sein, dieses ihre Sorgen unmittelbar mit erkenntniswissenschaftlichen Fragen in Zusammenhang zu sehen[10].

Doch möchte ich mich da, wie gesagt, nicht einmischen. Im Prinzip wäre ich zwar bereit, das mir vernünftig erscheinende durchzusetzen; jedoch nur, wenn ein klarer Auftrag an mich erginge mit entsprechenden Vollmachten und wenn meine Arbeit finanziert würde. Daß solches jedoch passieren könnte, scheint mir aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen so gut wie ausgeschlossen; und so werd ich denn, als zunehmend unbeteiligter, aus sicherer Distanz und mehr am Rande die Sache mitverfolgen... Nun gut; vielleicht ergibt sich daraus noch das Material für eine Humoreske...

Der Brief blieb, wie bei Klaus Hartmann üblich, ohne jede Stellungnahme. Meine Abstinenz ließ sich dann jedoch nicht durchhalten; ich sah, daß die Sache zu naiv aufgezogen war, ohne jede Bewußtheit bezüglich der mit einer solchen Übersetzung verbundenen Probleme; und da ich einer sachgerechten Verbreitung der Witzenmann-Texte hier doch eine gewisse Bedeutung beimesse, schaltete ich mich denn - zunächst - doch ein.

Im Weiteren - aus Zeitgründen - wieder ein Auszug aus einem anderen Brief an einen Bekannten aus dem Witzenmann-Umkreis; wobei ich auch einige Stellen mitnehme, die nicht unmittelbar zum Thema gehören, aber von allgemeinem Interesse scheinen.

Moskau, den 6. April 1997

Eine Besprechung zwischen Frl. K.M., dem Ehepaar Schnapir[11] und mir führte zu dem Resultat, daß ich mich nun doch aktiver in die russische Witzenmann-Herausgabe einschalten werde; vor allem als Redakteur und Übersetzer. Als erstes werde ich “Vom Denken, Fühlen und Wollen” übersetzen; im Weiteren werde ich mir die bereits erstellten Proben der hiesigen Übersetzer anschauen; und davon hängt dann ab, ob ich mehr redigieren oder mehr selbst übersetzen werde (meine bisherige Erfahrung zeigt, daß es wesentlich einfacher und weniger zeitraubend ist, einen Text ganz neu zu übersetzen, als eine mißglückte fremde Übersetzung zu redigieren und zu verbessern). - Manches hängt dann natürlich - leider - davon ab, ob man diese Arbeit vernünftig finanzieren kann; falls diese Frage in absehbarer Zeit nicht geklärt wird, muß ich mich, weitab von Steiner und Witzenmann, sonstigen Dingen widmen.

Interessante Erfahrungen mach ich übrigens mit der Übersetzung der Steiner-Zyklen (früher hab ich fremde Übersetzungen redigiert; inzwischen übersetze ich, weil das einfacher ist, selber). Wenn man sich da - notgedrungen - so richtig reinvertieft, merkt man, wie viel von Wachheit oder gar Sichtweise des Stenographen und auch des Herausgebers abhängt. Das wimmelt von offensichtlichen Fehlern und Ungenauigkeiten, die sich bei sorgfältigerer Bearbeitung sehr leicht korrigieren ließen; von satzähnlichen Gebilden, die sich bei genauem Hinsehen als jeglichen Satzcharakters entbehrende Wörteranhäufungen entpuppen; dann gibt es Sätze, die, wenn man sie unter Zugrundelegung der gewöhnlichen Intonation liest, im gegebenen Kontext völlig unverständlich sind, bei denen sich aber zeigt, daß sie dem Wortbestand und der Wortfolge nach möglicherweise richtig wiedergegeben sind, daß sie aber offenbar mit einer ausgefallenen Intonation gesprochen wurden. Im Grunde ist das keine reine Übersetzungsarbeit, sondern eine Restaurationsarbeit, um die sich eigentlich der Schweizer Verlag kümmern müßte. Ich hab denen auch mal angeboten, meine während des Redigierens anfallenden Korrekturen und Anmerkungen zum deutschen Text in deutscher Übersetzung zukommen zu lassen, damit das bei Neuauflagen berücksichtigt werden kann. Man hat mir auf dieses Angebot auch geantwortet, und zwar sehr pikiert und beleidigt, doch stellte man mir frei, auf “Stellen, die mir fehlerhaft scheinen” aufmerksam zu machen (die Beispiele, die ich ihnen schickte, waren übrigens nicht “mir falsch scheinende Stellen”, sondern offensichtliche Fehler. Das großzügige Angebot nahm ich dann im weiteren jedoch nicht wahr; denn was soll man den Leuten Sachen zukommen lassen, die ihnen unangenehm sind; vor allem dann, wenn das mit zusätzlicher Arbeit verbunden ist[12])

Der - ohne meine Teilnahme - geplante russische Witzenmann-Band soll verschiedene Texte aus den beiden Bänden “Intuition und Beobachtung” enthalten; darunter “Nominalismus und Realismus”, “Vom Denken, Fühlen und Wollen” und die “Egomorphose der Sprache”. {Letzteres wundert mich sehr; ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ein Übersetzer, der mit diesem Gedankengut nie in Berührung war, sowas ins Russische übersetzen soll. (meine Teilnahme war ja nicht eingeplant; doch auch ich fühle mich überfordert) Es geht ja nicht nur um Begriffe wie “Fassung” und “Haltung”, sondern noch vielmehr um die Beispiele, bei denen es ja nicht reicht, wenn man sie nur sinngemäß ins Russische übersetzt; ich vermute, daß man einige Beispiele für die russische Sprache ganz neu fassen muß (daß es etwa substantivierte Verben im Russischen gar nicht gibt und daß auch vergleichbare Substantivierungen bei näherem Hinsehen gar nicht so sehr vergleichbar sind ist noch das geringste Problem).}

***

Aus finanziellen und sonstigen Gründen habe ich diese Arbeit inzwischen allerdings wieder eingestellt; habe Klaus Hartmann das in einem (vermutlich unbeantwortet bleibenden; doch ist das nun schon nicht mehr von Belang) Fax auch mitgeteilt. Faktisch ist es ja so, daß die zur Verfügung gestellten Mittel kaum ausreichen für den Druck; für Übersetzen und Redigieren bleiben da, wenn überhaupt, nur symbolische Beträge übrig. Da ich mich zur Zeit in einer extremen finanziellen Notlage befinde, kann ich mir solche praktisch unentgeltliche Arbeit nicht mehr erlauben; ich muß mich nun ums nackte Überleben kümmern. Zudem bin ich zu wenig frei, um mich über den Ärger ob der leichtsinnig verpatzten Chancen erheben zu können; außerdem wurmt mich, daß es im Umfeld genügend “betuchte” gibt, die helfen könnten (um solche Sozialästhetik schätzen zu können, bin ich leider noch nicht herangereift...) Soweit ich es mitkriege, ist man mit der Übersetzung heillos überfordert[13]; doch kann ich auf sowas keine Rücksicht mehr nehmen. Irgendwas wird - so die Preise fürs Drucken bis dahin nicht allzusehr in die Höhe schnellen - sicher aufs Papier kommen; stellt sich nur die Frage: Was...

***

Rein theoretisch, nochmal kurz zusammengefaßt, was hätte getan werden müssen (und - bei nur ganz leichter Anteilnahme auf westlicher Seite: können):

Daß das alles nicht zustandekam, geht auf die Kappe von Klaus Hartmann und seinesgleichen. Die inzwischen doch lockergemachten 6000 Mark betrachte ich als verschleudertes Geld; um ihnen irgendeinen Sinn zu geben, müßte man nun noch einiges dazu investieren. Vieles wurde verpaßt; doch könnte man noch einiges machen. Rein theoretisch - da ich an irgendeine Vernünftigkeit in diesen Kreisen nicht mehr glauben kann - sähe das wie folgt aus:

Unter solchen Bedingungen wäre ich auch bereit, wieder einzusteigen. Doch ist das, wie gesagt, rein theoretisch. So wie ich die Situation einschätze, wird auch dieser allerletzte Rest einer Chance nicht wahrgenommen werden; und das einzige, was mir, zum Abschied von all diesen Merkwürdigkeiten, noch zu tun übrigbleibt, ist eine Dokumentation zusammenstellen über reale Chancen, die im Laufe der letzten 5 Jahre leichtsinnig vertan wurden. Was ich auch tun werde[14]. Und ich schickte Dir diese Information, weil Du einer der wenigen warst, der mit einem gewissen Interesse, einer gewissen Offenheit auf meine Notrufe einging.

[...]


) Nachbemerkung zur Vorbemerkung: - Bei Verwendung des Wortes „Geist“ habe ich hier die Begrifflichkeit im Auge, die man heutzutage gemeinhin mit ebendiesem Worte zu verbinden pflegt.
Mein Verhältnis zu dem, was man sonst noch mit dem Wort „Geist“ verbinden kann, hab ich in einer kurzen Skizze meiner weltanschaulichen Entwicklung umrissen.
Zum weiteren Verdeutlichen nachfolgend noch ein Streiflicht aus einer Forumsdiskussion zum Thema „Geist“:
***
Es ging da, grob gesprochen, um den Unterschied zwischen Geist und Reden über Geist. Jemand, der die vorangehenden Ausführungen nicht gelesen oder zumindest nicht verstanden hatte, verfaßte eine an mich gerichtete längere Tirade, welchselbige in der Frage gipfelte:
„Und was ist für Sie Geist? So eine Art Gespenst, vor dem Sie Angst haben?“
Normalerweise geh ich auf solche Ergüsse, die ihr Entstehen dem Nichtzuhören oder militantem Nichtverstehen verdanken, nicht ein. Hier aber machte ich eine Ausnahme und tippte auf die Schnelle die Sätze:
„Sehr richtig, Herr xxx: so eine Art herumgeistelndes Gespenst ist das. Ich würde nicht sagen, daß ich Angst vor ihm hätte; ich verstand nur lange Zeit nicht, was es damit auf sich hat, weil ich es irgendwie mit Geist verwechselte; und das verunsicherte mich. Als ich dann seinen Gespenstercharakter erkannt hatte, hatte ich keine Probleme mehr damit. Das heißt, eine Zeitlang ärgerte ich mich noch darüber; und irgendwann wurde es mir dann egal.“
***
Eben.

*) Anmerkung Juli 2014: Reto Andrea Savoldelli; Insidern dürfte er bekannt sein. – Zu der Zeit, da ich dieses Material online setzte, waren wir nicht in Kontakt, und ich sah davon ab, seinen Namen zu nennen. Inzwischen sind wir wieder in Kontakt, und ich nenn ihn. Und geb auch ein Link auf seine Seite: Das Seminar.
[1] Anmerkung Mai 2010: Das war noch zu jenen vorsintflutlichen Vor-E-Mail-Zeiten. 13 Jahre sind das her!
Zusätzliche Nachbemerkung September 2014: Wie sich mit siebzehnjähriger Verspätung herausstellte, hat der Brief den Empfänger nicht erreicht. Das Ausbleiben einer Antwort erklärte ich damit, daß man den Empfänger des Briefes von meiner geistigen Zurückgebliebenheit und Verwirrung überzeugen konnte. Was mich, da das Nichternstnehmen auf Gegenseitigkeit beruhte, weiter nicht beleidigte; höchstens wunderte es mich etwas, daß Reto sich einfach so beeinflussen läßt. Hat er aber nicht; er hat bloß den Brief nicht erhalten. Hätte er ihn erhalten, so hätte man vielleicht, allen Hemmnissen zum Trotz, noch was machen können.
Noch zusätzlichere Nachbemerkung April 2015: - Reto schickte mir ein Zitat aus dem zweiten Band der Witzenmann-Biographie von Klaus Hartmann:
Überall dort auch, wo Witzenmann Lasten der Seele oder auch des Schicksals spürte, wandte er sich spontan solchen Freunden zu. So nahm er bei einem Ausflug mit Lothar Udert zu den von Soest aus nahen Externsteinen einmal Raymond Zoller, einen jungen Literaten und Russisch-Übersetzer, der sich sehr für Witzenmanns Erkenntniswissenschaft erwärmt hatte, in den Arm und ging mit ihm ein ganzes Stück des Weges auf die Steine zu, indem er ihm zuhörte und innerlich bewegt auf ihn einsprach. Udert, der sich für seine Studenten immer auch menschlich einsetzte, war ganz ergriffen von Witzenmanns Geste. - In einigen Situationen wirkte Witzenmann auch durch sein Vertrauen Wunder, so wenn er einen jüngeren Menschen zu seinem Mitarbeiter machte und dadurch seinen Kräften zu angemessenem Ausdruck verhalf.“ (S.487/488
- An das Gespräch kann ich mich erinnern; det war sehr lebendig. Man verstand sich.
Auch nachfolgend verlinkte skizzierte Schilderung meines damaligen Drinnenstehens in der Welt (damals konnte ich das noch nicht so klar aussprechen) würde Witzenmann zweifellos verstehen; vermutlich verstand er es auch damals schon besser als ich selbst: Absurdologie oder die Rache des verwirrten Realisten.
Aber doch sehr nett geschildert in jenem Buche.
[2] Anmerkung Mai 2010: Gilt für den Zeitpunkt des Verfassens jenes Briefes. Da ich jene Publikationen seitdem nicht mehr lese, kann ich entsprechend auch nicht beurteilen, ob es inzwischen besser oder schlimmer wurde oder ob es gleich blieb.
[3] Sicherheitshalber sei erwähnt, daß ich damals nicht Mitarbeiter des Enigma-Verlags war. Später arbeitete ich dort als Redakteur; zum Zeitpunkt des Erscheinens besagten Artikels in Info3 und des Verfassens meiner Gegendarstellung war das noch nicht der Fall.
[4] Ging leider, wie vieles andere auch, verloren. Aber beigelegt hab ich's damals
[5] Diese Sammlung blieb mir insofern erhalten, als sie sich auf einer gekrashten Festplatte befindet. Sobald ich Mittel übrig habe, jene Festplatte zu reparieren, ist auch sie, die Sammlung, wieder zugänglich; zum Verdruß all jener, die ihre Legenden durch Tatsachen bedroht sehen & zur Freude künftiger Historiker...
[6] Anmerkung Mai 2010: jene Katastrophe ist längst eingetreten; wie sollte es auch sonst sein… Von dem wirren Gewusel, das dann in der Nachfolge dieses Enigma-Verlag entstand, bekam ich nur ganz am Rande einiges Wenige mit; interessiert mich alles auch weiter nicht mehr.
[7] Anmerkung 2010: Da jener Dr. Hartmann auch heute noch in offenbar leitender Position in der Witzenmann-Stiftung tätig ist (krieg das alles nur ganz am Rande mit) gestatte ich mir, seinen Namen nicht zu maskieren
[8] Anspielung an irgendwelche in jenen Kreisen regelmäßig abgehaltenen „Beratungen zur Weltlage“
[9] Sammelband mit leicht zugänglichen Texten von Herbert Witzenmann, die ich nach Übersetzung der „Tugenden“ als Einstieg in die Erstellung einer russischen Witzenmann-Werkausgabe hatte übersetzen und herausbringen wollen (ich hatte, unabhängig von den Verantwortlichen, eh bereits mit Übersetzen angefangen; war zum Schluß dann so demoralisiert, daß ich es sein ließ; und das fertiggestellte Material ging dann eh verloren)
[10] Der Satte versteht den Hungrigen nicht (weder den ganz realen Erkenntnishunger noch den ganz realen physischen Hunger)
[11] Lena Schnapir war damals Vorsitzende der russischen anthroposophischen Gesellschaft (ob sie es zum Moment, da ich diese Anmerkungen tippen- Ende 2007 – noch immer ist, weiß ich nicht
[12] Auch jene sehr lustige und lehrreiche Korrespondenz mit dem Steiner-Verlag ist auf oben erwähnter kaputter Festplatte vergraben; wie auch ein ganzer von mir ins Russische übersetzter und während des Übersetzens korrigierter Steiner-Zyklus (der meines Wissens nicht mehr veröffentlicht werden konnte); und auch redigierte Übersetzungen mit Anmerkungen
[13] Die ohne mein Zutun angeheuerten Übersetzer waren, wie zu erwarten war, überfordert. Einer hatte an den Rand eines der zu übersetzenden Texte die Anmerkung «Сумасшедший!» (ein Wahnsinniger!) hingekritzelt; was normal ist, da man, bevor man sich an die Substanz dieser Texte herangearbeitet hat, schon manches als „Wahnsinn“ abtun kann. Um zur Übersetzung solcher Texte ungeprüft unvorbereitete Übersetzer hinzuzuziehen braucht es schon ein gehöriges Maß an Dilettantismus.
[14] Es blieb bei diesem frommen Vorsatz. Erstens verlor ich selbst jedes Interesse an jenen mir schlußendlich unrettbar verloren scheinenden Zusammenhängen; zwotens verlor ich durch Festplattencrash und häufige über Tausende von Kilometern sich dahinziehende Umzüge fast sämtliche Unterlagen; und zum dritten rechnete ich nicht damit, daß det irgendwen noch interessieren könnte.

Nachbemerkung Juli 2014: Aus einer russischen Arbeitsgruppe um jenes allen Fährnissen zum Trotz ins Russische übersetzte Buch "Die Tugenden" entwickelte sich im Waldai-Gebiet unter dem Namen "Schkolnyj Dom" eine Art landwirtschaftliche Oase. Unter diesem Link findet man einen Briefwechsel mit einem der Begründer.


20. Mai 2015: Vermutlich allerletzter Zusatz zu diesem Thema

Die Erneuerung des Kontakts mit Reto Andrea Savoldelli und mit einigen fähigen Leuten aus meinem damaligen Moskauer Umfeld führte zunächst zu der frommen Absicht, nach erzwungener zwanzigjähriger Pause sich nun endlich um eine russische Gesamtausgabe der Witzenmannschen Schriften zu kümmern.

Eine solche Übersetzung ist nicht nur nicht so extrem einfach, wie Dr. Hartmann und Frl. K.M. sich das gedacht hatten (man gebe, мол, einem Übersetzer einen entsprechenden Auftrag; und der macht das dann), sondern, im Gegenteil, extrem schwierig. Um das machen zu können, muß man sehr bewußt in beiden Sprachen leben und muß sehr gründlich mit der im Russischen zum Ausdruck zu bringenden Materie vertraut sein; anders geht das nicht.

Ich hätte das wieder aufgreifen können und hatte auch ein paar Leute im Auge, die man eventuell hätte hinzuziehen können.

Doch mußte ich dann einsehen, daß aufgrund meiner Lebenssituation solches nicht machbar ist. Und meine innere wie äußere Lebenssituation ist nun mal so, daß ich gewissermaßen an einem Zusammenfluß von östlichen und westlichen Verrücktheiten lebe; die Wellen gehen hoch; irgendwie muß ich mich halten und durchboxen; und da kann ich mich nicht geruhsam hinsetzen und übersetzen. Geht einfach nicht.

***

Wie dem auch sei…

Aus einem vor ein paar Tagen für Reto und ein paar weitere Beteiligte geschriebenen Brief:

Ich wollte mich nochmal für meine Passivität entschuldigen.

Geht nicht anders.

War jetzt ein paar Tage krank, mit Fieber. Dem Gespür nach hohes (genaues weiß ich nicht, da ich kein Thermometer habe; wozu sollte ich…)

Jetzt scheint es, bis auf ein paar Ausläufer, abgeflaut.

Passiert gelegentlich; dem Gespür nach: wenn ich mit dem bewußten Aufarbeiten zu sehr hinterherhinke versinkt alles im Organismus, sorgt dort für Unordnung; und nach ein paar Tagen isses dann etwas klarer, und die Krankheit iss weg.

Doch wie soll ich mit dem bewußten Aufarbeiten Schritt halten, da alles so kompliziert ist. Geht einfach nicht.

Wenn ich krank bin, lieg ich rum und les Solschenizyn. Zum wiederholten Mal: Das „Rote Rad“. Irgendwie brauch ich das.

Zwischendurch verfaß ich, zur Auflockerung, Höheren Blödsinn…

***

Was das Übersetzen und Vermitteln betrifft:

Wie bereits angedeutet: es ist mir nicht möglich, mich da voll einzubringen.

Einerseits hab ich, natürlich, besseren Überblick als vor zwanzig Jahren. Das mit dem Übersetzen ginge jetzt schneller und gründlicher; und auch in den Auseinandersetzungen mit den anthroposophischen Karriereleuten und Schwärmern könnte ich mich ganz anders behaupten (und würde vermutlich genau so wenig verstanden); aber die Umstände haben sich seitdem nun mal sehr stark verändert und lassen mich nicht.

Damals waren die Bedingungen so, daß ich ein Team aus geeigneten Übersetzern hätte zusammenstellen können; hätte ganz selbstverständlich auch selbst übersetzt; durch meinen damaligen Zugang zur „Literaturnaja Gaseta“ und sonstigem hätte ich das ohne Mühe auf eine breitere Basis bringen können; und was der Kontakte und Möglichkeiten mehr waren. Und nebenbei gab es auch noch anderes zu tun; Aufgaben und Möglichkeiten, in die man organisch hineinwachsen konnte, gab es genug.

Ich hatte diese Kontakte und Möglichkeiten nicht gesucht; sie kamen ganz von selbst. […] Und weil sie nicht genutzt wurden, nicht genutzt werden konnten, krachte alles zusammen und hinterließ ein Trümmerfeld. In dem ich mich nun zurechtfinden muß.

Das ist alles zwar nicht mehr ganz so schlimm wie in der ersten Zeit nach dem Zusammenbruch; aber doch nicht so einfach.

Meine innere und äußere Situation ist recht kompliziert; irgendwie muß ich mich zurechtfinden und mich behaupten.

Zu der von Steiner angeregten Geisteswissenschaft steh ich und kann nicht anders.

Aber mit den anthroposophischen Zusammenhängen als solchen will ich nichts mehr zu tun haben. Nur noch mit konkreten Einzelnen, mit denen ich mich verständigen kann; der Rest interessiert mich nicht mehr. Hätte auch weder Zeit noch Kraft, mich damit herumzuschlagen.

Was soll ich mich mit Leuten herumschlagen, die irgendwelchen Schwachsinn über „edle Maidanseelen“ schreiben und veröffentlichen; die das Witzenmannsche Testament anfechten, weil es ihrer Karrieregestaltung im Wege ist? Unter ruhigeren Umständen könnte man sich vielleicht bei einer Tasse Kaffee treffen und sich über das Wetter unterhalten… Aber die Umstände sind nicht ruhig; und über das Wetter kann ich mich bei Bedarf auch mit anderen unterhalten.

Bitte um Entschuldigung für diesen überheblichen Ton; aber in der Kürze krieg ich es anders nicht hin; sowieso kommt es zu einer unwillkürlichen Anpassung an den Tonfall derjenigen, von denen hier, nebenbei, die Rede geht.

***

[…]

Noch eine kurze Zusatzbemerkung,
nicht von mir, sondern herausgefischt aus dem von Reto Savoldelli herausgegebenen Seminar-Rundbrief:

Es war im Jahre 2004...

also schon eine Weile her, da schrieb jemand an das sog. Herbert-Witzenmann-Zentrum in Dornach und erkundigte sich nach der Arbeit des sog. Seminars für freie Jugendarbeit, Kunst und Sozialorganik (das Seminar), dessen verantwortlicher Mitarbeiter Herr Savoldelli sei. Er hatte dem letzten Seminarprospekt, den Herbert Witzenmann noch hergestellt hatte, jenen Namen als für das Seminar einzig genannte Kontaktperson entnommen. Der damalige Präsident der Alanus-Stiftung, der Eigentümerin des repräsentativen Hauses am Rüttiweg 8 (Witzenmann-Zentrum) gab ihm schriftlich folgende Auskunft, die mir vorliegt: „Ob Herr Savoldelli noch irgendwo ein Seminar betreibt oder an einem teilnimmt, ist mir nicht bekannt.“ - Er ging auch nicht darauf ein, warum das Seminar denn nicht im sog. Herbert-Witzenmann-Zentrum zu finden sei, dafür aber Büro und Seminarraum für die von ihm geleitete J.Kreyenbühl-Akademie. Dabei war 1969 die Alanus-Stiftung zur ausschließlichen Förderung des Seminars begründet worden. Zum Zeitpunkt der dürftigen Auskunft hatte es bereits seinen Netzauftritt unter www.das-seminar.ch mit der Präzisierung: 1973 begründet von Herbert Witzenmann. Wer nicht dabei war, wird es kaum für möglich halten. - Einverstanden, das ist Schnee von gestern und nur aus dem Gesamtzusammenhang verständlich, den ich im 2. Band der Dokumentation der Tätigkeit von Herbert Witzenmann im Vorstand am Goetheanum (370 S. / inkl. ca. 400 Fußnoten) dargestellt habe (deren Veröffentlichung, wie könnte es anders sein, noch ganz ungesichert ist. Ein entsprechendes Antragsgesuch liegt seit Monaten ohne Antwort bei der Herbert-Witzenmann-Stiftung).

Noch eine weitere Zusatzbemerkung:

überarbeitete Stelle aus einem vor ein paar Monaten geschriebenen Brief an Reto Andrea Savoldelli
über meine Beziehung zur Sozialästhetik bzw. zu dem Wort „Sozialästhetik“.

Betonen möchte ich, daß gegen die erwähnten Leute keinerlei Groll hege. Sie gingen ihren Weg, so gut sie konnten; entwickelten sich, halfen anderen, sich zu entwickeln (darunter auch mir); doch nach und nach blieb man stecken, ein jeder auf seine Weise, bremste ab, und begann, auch andere abzubremsen.

Kann man nix machen; iss nu mal so gekommen.

♦♦♦

Die Sozialästhetik ist bei mir „instinktiv“ irgendwie „drin“; kam nur durch den in meiner einstigen Umgebung erlebten Kontrast zwischen hochgestochenem „sozialästhetischem“ Gerede und faktischer hochgradiger sozialer Inkompetenz etwas in Verwirrung. Dadurch wurde „Sozialästhetik“ für mich zu einem Schimpfwort und die Leute mit dem sozialästhetischen Jargon zu „Sozialästheten“.

Muß zur Zeit noch einiges innerlich „verdauen“; dann kann ich mich dieser Problematik in aller Konkretheit vielleicht wieder gründlicher zuwenden.

♣♣♣

Anfang der neunziger Jahre ergab sich in Moskau eine bestimmte Konstellation, die ich in unbekümmerter „sozialer Phantasie“ solcherart entwickelte, daß sich dabei Filmaufnahmen in dem historisch wichtigen Solowjezki-Kloster ergaben. Nebenbei gesagt war das zu einer Zeit, als es noch gar nicht so einfach war, dort hinzugelangen. Mehrere Tage verbrachte ich dort zusammen mit einem Bekannten, einem russischen Filmregisseur, und wir filmten. – Als ich dann wieder in Deutschland war, versuchte ich dort, Anknüpfungspunkte zu finden für die weitere Entwicklung unseres Beginnens. Mein Bekannter hatte dann in anderen Angelegenheiten in Deutschland zu tun und hatte eine aus dem aufgenommenen Material zusammengeschnittene halbstündige Dokumentation dabei.

Es gelang mir, bei den „Sozialästheten“ eine Vorführung zu organisieren. Sogar fand man das irgendwie interessant.

Auf die Frage, was ich damit will, konnte ich nur antworten: daß wir sehen, was uns entgegenkommt; daß die weitere Entwicklung davon abhängt, mit was für Leuten wir noch zu tun bekommen, von deren Wollen, Interesse oder Desinteresse.

Die sozialästhetische Interpretation solcher Vorgehensweise lautete: daß ich nicht weiß, was ich will

Möglich, daß ich dir davon schon mal erzählt habe; aber in diesem Kontext scheint es mir ganz besonders pikant.

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Mein Bekannter nutze die Gelegenheit, um über mehrere Tage hinweg in dem mit jenen Kreisen verbundenem Kinderheim zu filmen. Das lief recht gut; und wir gingen davon aus, daß man mit jenem Kinderheim weiter in Kontakt sein wird; daß man lebensmäßig und filmisch noch so einiges wird kombinieren können. Denn Kombinationsmöglichkeiten gab es genug und – zumindest auf unserer Seite – auch die Fähigkeit und der Wille, realisierbare sinnvolle Möglichkeiten zu entdecken und aufzugreifen. Einiges hätte da laufen können.

War aber nix: die waren nicht interessiert.

Schließlich montierten wir, als ich bereits in Moskau lebte, aus dem aufgenommenen Material einen halbstündigen Dokumentarfilm, der mehrfach an verschiedenen russischen Fernsehsendern gezeigt wurde; und damit hatte es sich.

Auch in Deutschland wurde das Heim, wie man mir sagte, am Fernsehen gezeigt; und zwar anläßlich eines Polizeieinsatzes, der dank der Intrige einiger ihrer "Freunde" dem bisherigen Wirken ein Ende setzte.

Hätte bei klein wenig realer „Sozialästhetik“ ganz anders kommen können.

Raymond Zoller