Die Klamurke

November 2005 - März 2006

Tbilissi, den 10. November 2005

Inga

Vor zwei Wochen berichtete mir Inga von diffusen Plänen, mit denen sie sich trägt: Nämlich möchte sie in irgendeiner Weise Frauen, die hier in Georgien in ähnlicher Lage sind wie sie früher, systematisch Hilfestellung leisten. Da solches Beginnen mir sinnvoll erscheint und da sie durch ihre eigene Biographie zu solcher Aufgabe geradezu prädestiniert ist, ermunterte ich sie nach Kräften, das weiterzuverfolgen. Allerdings machte ich sie darauf aufmerksam, daß sie zunächst einmal nicht nur die georgische Männerwelt zum Gegner haben wird, sondern teilweise auch die betroffenen Frauen; und ich erinnerte sie daran, mit welcher Selbstverständlichkeit sie selbst früher ihre erniedrigende Lage als normal empfand und wie ungnädig sie reagierte, wenn ich diese und jene Selbstverständlichkeiten in Frage stellte; und wie lange sie brauchte, bis sie sich von der herrschenden Sichtweise weit genug distanziert hatte, um klar darüber sprechen und sie in Frage stellen zu können.

Wir machten ab, daß sie ihre Autobiographie skizziert und dazu noch diese und jene Gedanken; daß ich das dann in Deutsch und in Russisch in eine literarisch anspruchsvollere Form bringe und in der Klamurke veröffentliche; und wenn das dann veröffentlicht ist, kann man in Deutschland und in Rußland Leute, die sich mit Frauenrechtsfragen beschäftigen, auf diese Seiten aufmerksam machen, damit es zu einem ersten Austausch kommt; und das weitere wird sich dann ergeben.

Gestern erzählte sie mir, sie habe bei dem Bemühen, ihre Gedanken zu formulieren, bereits zwei Hefte vollgekritzelt und bekomme – wie sie meint – nichts auf die Reihe; aber sie läßt nicht locker. Spontan erinnerte ich mich an das Zustandekommen meines eigenen allerersten Zeitschriftenaufsatzes und erzählte ihr auch von dieser Episode. Damals dachte ich überhaupt nicht daran, einen Zeitschriftenaufsatz zu schreiben: Etwas brannte mir auf der Seele, das ich herausbringen, greifen, formulieren wollte; aber ich konnte es nicht packen. So schrieb ich wild drauf los; tippte einen viele Seiten starken wirren Wörterbrei zusammen, aus dem ich schließlich mit Müh und Not etwas herausdestillierte, das dann auf einer einzigen Seite einigermaßen zusammenhängend und übersichtlich halbwegs das zum Ausdruck brachte, was ich meinte und das – meine allererste Veröffentlichung – unter dem Titel „Geist und Sattheit“ gedruckt wurde. Zusammentippen des Wörterbreis und anschließendes Destillieren zog sich damals über viele Wochen hin; doch diese wochenlange Quälerei war ein Schritt in die Richtung, daß ich heute ganz ohne Quälerei manche Dinge ganz selbstverständlich klar und prägnant aussprechen kann (auch so gibt es natürlich immer genügend Unklares, das einem Quälerei verursacht; aber dafür man hat man nun den besseren Griff, um damit fertigzuwerden). All dies sagte ich ihr; und auch tröstete ich sie damit, daß ich damals, bei meinen allerersten Schritten, völlig alleine war und mich mit niemandem beraten konnte (und die Gedanken, die ich damals mühsam formulierte, waren – wie selbstverständlich sie auch immer sein mochten – für die meisten eh völlig neu und für die allermeisten durch und durch unannehmbar).

Hab den Eindruck, daß sie so langsam an ihre verschütteten Reserven rankommt. Und da sie weiß, wie es ist, wenn man verschüttet ist und schon angefangen hat, Erfahrungen zu sammeln mit Sichherausarbeiten, wird sie sich irgendwann sehr viel nützlicher machen können als früher bei ihrer Arbeit als Serviererin.

Tbilissi, den 13. November 2005

Gestern wieder Treffen im Schriftstellerverband. Es entwickelt sich eine Konstellation, die mich vermutlich zwingen wird, mein Geschreibe viel stärker auf das Russische zu verlegen, als ich ursprünglich wollte. Im Mündlichen bin ich zweisprachig; auch in der Lektüre und beim Briefeschreiben; da isses mir egal, ob Deutsch oder Russisch. Doch Deutsch ist meine Muttersprache; beim Verfassen anspruchsvollerer Sachen spür ich im Russischen sublime Grenzen; Grenzen, die sich zwar überwinden lassen und nach und nach auch überwunden werden; aber doch: Grenzen, wie ich sie im Deutschen in dem Maße nicht erlebe. Deshalb ist es viel bequemer, Deutsch zu schreiben.

Man meint, ich sei ein origineller und eigenständiger russischer Prosaiker. Mag sein. Wenn ich Sachen von mir anschaue, wie sie vor ein paar Jahren in der "Literaturnaya Gaseta" veröffentlicht wurden, überfällt mich ein Grausen. Sachen ganz ohne grammatische Fehler, wie sie – wie mir scheint – auch ein fleißiger Slawistikstudent hätte schreiben können; nur halt, daß fleißige Slawistikstudenten in der Regel nicht auf solch ausgefallene Gedanken kommen, wie das bei mir der Fall ist. Aber: ganz ohne Leben. Die Sprache ist tot. Oder zumindest nicht so lebendig, wie sie sollte. Nichtsdestotrotz fand man es gut genug, um es in der Literaturnaya Gaseta zu veröffentlichen. Heute schreib ich lebendiger. Die sprachlich toten Sachen hab ich längst überarbeitet; ob sie so bleiben werden, weiß ich nicht; vielleicht bringen die jetztigen Versionen mich in ein paar Jahren genau so in Wut, wie mir jetzt die vor Jahren veröffentlichten Sachen ein Ärgernis sind; möglich ist alles[1]. Doch ähnliches erleb ich auch – wennauch nicht so extrem – mit meinen deutschsprachigen Sachen. Man entwickelt sich ja…

Eben: Entwicklung. Nicht nur im Sprachlichen, sondern: als Mensch. In privatem Gespräch wurden ehrfürchtig die Leistungen eines Puschkin und eines Lermontov erwähnt. Das war im Garten jener Villa, wo der Schriftstellerverband seine Unterkunft hat; mit Blick auf die 500 Jahre alte Zeder, unter welcher schon Lermontov saß und sicher irgendwelche Gedichte schrieb, und zweifellos auch so seine Probleme hatte. Ich antwortete, daß es ja eigentlich gar nicht so sehr um die Leistung geht, um das, was aufs Papier kommt, sondern um die menschliche Entwicklung; und daß der rechte Schriftsteller ganz einfach bloß diejenigen, die seine Sachen lesen – so sie sie richtig lesen – in seine Entwicklung mit einbezieht; daß er, indem er seine eigene Entwicklung vorantreibt, dadurch auch die Entwicklung seiner Leser fördert. Das Gespräch wurde dann unterbrochen, da man uns in den Saal rief; doch merkte ich, daß meine Sichtweise Überraschung hervorrief. Obwohl eigentlich selbstverständlich… Die werden mit mir noch ihr blaues Wunder erleben…

Allerdings ist in Georgien, wie auch in Rußland, der Kultur- und Literatursnobismus nicht ganz so entwickelt und vor allem nicht so penetrant und exklusiv[2] wie in den mir mehr oder weniger bekannten westlichen Breiten; man kann da noch eher "zur Sache" kommen.

Tbilissi, den 17. Dezember 2005

Ich bin umgezogen in eine bessere Wohnung; hab mich halbwegs eingelebt; der Kontakt mit dem Schriftstellerverband hat sich weiterentwickelt; hab dortselbst bereits einen Autorenabend hinter mir; anderes wird folgen; muß aber erst mal Ordnung schaffen in der Wohnung, in all diesen neuen Kontakten und Möglichkeiten und Perspektiven; eigentlich noch nichts spruchreifes. Daß ich mich jetzt äußere hat mit einem leisen Schock zu tun. Nämlich hab ich fatalerweise im Internet deutsche Nachrichten angeschaut und bei der Gelegenheit erfahren, daß Jahr für Jahr in den verschiedenen deutschsprachigen Landen durch eine Jury aus hochangesehenen Fachleuten ein „Wort des Jahres“ gekürt wird. Natürlich gleich auf den ersten Blick als Unsinn erkennbare Maßnahme; doch wollte ich mir diesen Unsinn denn doch mal anschauen. Guckte rein. Ja nu; so manches hab ich in dieser europäischen Kultursphäre ja schon erleben dürfen und meinte, daß schon nichts mehr mich zum Staunen bringen kann; doch was ich da sah, war nun doch recht starker Tobak. Zum „Wort des Jahres“ wurde in deutschen Landen das Wort „Bundeskanzlerin“ gekürt; an zweiter Stelle die Wörteranhäufung „Wir sind Papst“ (hat wohl damit zu tun, daß ein Deutscher Papst wurde, was ja fast so viel Wert ist wie ein Fußballweltmeister-Titel); irgendwo auch noch das mir völlig unverständliche Wort „hoyzern“; und sonstiger Stuss.

Wat soll man da sagen… Wenn irgendeine Fete oder Abendgesellschaft einzuschlafen droht, kann man ja mal versuchen – so einem partout nichts Besseres mehr einfällt – durch Küren des „Wortes des Jahres“ die Situation zu retten; dagegen gibt’s nix einzuwenden. Wenn aber mit großem Tamtam aus dem Munde irgendwelcher „Autoritäten“ (die offenbar nicht einmal selbst merken, wie sehr sie sich dadurch bloßstellen) ex cathedra ein solches „Wort des Jahres“ festgesetzt wird – so iss det schon sehr besorgniserregend.

Was tut man da? Am besten wohl, diese deutsche Sprache möglichst schnell vergessen. Schade eigentlich; wurde irgendwann mal von sehr guten Leuten gesprochen.

Tbilissi, am 3. Januar 2006

Unter dem schreibenden Volks, mit dem ich in letzter Zeit so zusammenkam, gibt es nicht wenige, die es befremdlich finden, wie wenig Wert ich darauf lege, mich als «писатель», „Schriftsteller“ in Pose zu bringen. Aber es ist mir nun mal, ganz ehrlich, egal, ob ich „Schriftsteller“ bin oder nicht; sogar seh ich ganz beträchtliche Nachteile, die besonders im westlichen Kulturkreis, aber auch in hiesigen Breiten in der heutigen Zeit solchen und ähnlichen Etiketten anhaften. Ein Schriftsteller ist heute, eben, jemand, der sich in Pose setzt; und falls neben der Pose noch irgendwas von Substanz ist, so nimmt man die, wenn nur die Pose genügend effektiv ist, als nebensächliche Schrulligkeit mit in Kauf. Substanz, Ehrlichkeit pur will man nicht haben.

Es wurde da mal ein sehr bezeichnendes Experiment durchgeführt: Einer Gruppe von Versuchspersonen wurde Ananas vorgesetzt; und zwar sowohl frische als auch konservierte, aus der Dose. Die Versuchspersonen hatten herauszufinden, welches denn nun die frische ist, und welches die konservierte. Bezeichnenderweise erkannten die meisten Versuchspersonen die konservierte Ananas als frische, während die frische Ananas – man fand, daß die irgendwie unnatürlich schmeckt – als konservierte abgetan wurde.

Das Urphänomen unserer heutigen Zivilisation.

Man nehme einen Menschen wie den Hermann Hesse. Hier gibt es unübersehbar – zumindest für mich unübersehbar – zwei grundverschiedene Ansätze: Substanz und Pose. Die Substanz war zu stark, als daß es ohne Leiden hätte abgehen können. Er litt tatsächlich, der Hermann, und entwickelte sich durch sein Leiden; solches ist nicht zu übersehen. Doch nicht minder zu übersehen ist, daß er die meiste Zeit vor dem Spiegel stand und sich bewunderte ob seines tragischen Leidens; und hier ist eben der zweite Ansatz: die Pose. Und mir scheint, daß er seinen ganzen Stil eben von diesem zweiten Ansatz aus entwickelt hat; und ich bin sogar sicher, daß hier die Wurzeln seines äußeren Erfolgs zu suchen sind (eben: konservierte Ananas); hätte er sein Schreiben, seine Ausdrucksfähigkeit, seinen Stil von der Substanz-Seite aus weiterentwickelt, hätte er ganz sicher kein solch großes Publikum gefunden; es hätte keine Steppenwolf-Bewegung gegeben (vermutlich hätte er ein solches Buch gar nicht geschrieben, oder zumindest anders geschrieben, mit ehrlichem Gelächter über sich selbst, ganz ohne eitlen Krampf); aber dafür hätte er Sachen geschrieben, welche für ein „frischer Ananas“ gegenüber aufgeschlossenes Publikum eine ganz andere Sprengkraft hätten. Zu sehr war er, der Hermann, ohne es zu merken von den Netzen des Bildungsphilistertums umgarnt. Um nur ein wirklich tragisches Beispiel zu nennen.

Ich hatte da noch einiges mehr schreiben wollen; doch muß ich nun abbrechen, da ich mich um anderes kümmern muß. Fortsetzung folgt.

Oben formuliertes Ananasgleichnis mitsamt dem Fall Hesse findet man in dem Sammelband
"Einblicke in Abwege"
(Seminar-Verlag Basel)

Einblicke in Abwege

Nachbemerkung 9. Mai 2011, Montenegro; Raymond anno 2011 an Raymond anno 2005: So man aber die ersten Einträge auf dieser Seite mit entwickelterem Gespür durchliest, so schimmert denn doch stellenweise eine dir überhaupt nicht zu Gesicht passende gehörige Portion Eitelkeit und eingemachter Ananas durch; nich? Wenn ich damals schon dagewesen wäre, hätte ich dich darauf aufmerksam gemacht; aber ich konnte dich nicht darauf aufmerksam machen, weil ich noch nicht da war. War doch nett, im Schriftstellerverband sich rumzutreiben und von ehrenwerten Schriftstellern für voll genommen zu werden; nich? Zum Glück währte dieser Abweg damals nur kurz; alsbald schon bequemtestest du dich wieder dazu, deine eigenen Wege zu wandeln und überließest die ehrenwerten Herren und Damen Schriftsteller den ihren.

Tbilissi, am 29. Januar 2006

Sandro teilt – wie’s scheint: mehr oder weniger im Ernst – die Menschheit der Art und Abstammung nach in zwei Gruppen ein: Zum einen der Teil der Menschheit, der sich durch eine gewisse geistige Beweglichkeit auszeichnet und in der Lage ist, ohne Schematismus auch in neuen Situationen sich zurechtzufinden und verantwortungsbewußt zu handeln; und dieser Teil der Menschheit stammt, wie er sagt, „von Gott“.

Die andere Gruppe lebt in grobem Schematismus, zwingt jeder Situation ihre angelernten Schemata auf, und wo bei der ersten Gruppe Verantwortungsbewußtsein ist, ist hier Hörigkeit gegenüber der übergeordneten Instanz. Die Vertreter dieser zweiten Gruppe, die überwiegend im Beamtenstand tätig sind (weshalb Sandro sie kurz „die Beamten“ nennt) stammen nicht von Gott ab, sondern vom Affen.

Meinem Einwand, daß in diesem Beamtenstand gelegentlich auch Persönlichkeiten mit Zivilcourage und eigenständiger Sicht auf die Dinge anzutreffen sind, begegnete er damit, daß das dann Fehlbesetzungen sind, da der Staat aus Selbsterhaltungsgründen auf die Stütze durch die Affenabkömmlinge angewiesen ist und es tunlichst vermeidet, in seinen Apparat Vertreter jener Gruppe aufzunehmen, die von Gott stammt.

Man mag damit einverstanden sein oder nicht; aber originell isses sicher.

Tbilissi, am 17. Februar 2006

Wie ich sehe, hat die Online-Klamurke am vergangenen 1. Februar ihren zweiten Geburtstag gefeiert. Alleine hat sie gefeiert; ich hab das völlig übersehen. Nach ersten unsicheren Schritten als Gast auf der Seite von Paul Melian, nach Umzug in die eigene Behausung und langsamem Zukräftekommen ist sie nun ganz gehörig ins Kraut geschossen; so gehörig, daß ich mich nun um eine bessere Navigation kümmern mußte, damit die Sache nicht in Chaos versinkt. Hab vor ein paar Tagen mit dem Umbau angefangen; hab es so arrangiert, daß auch während des Umbaus das noch nicht in die neue Navigation eingebundene erreichbar bleibt, und werd wohl in ein paar Tagen damit fertig sein.

Laut dem, was ich so mitbekomme, gibt es durchaus Leute, die in diesem vielen Geschriebenen herumlesen, weil sie es interessant finden und anregend; dann gibt es offenbar nicht wenige, die in dem Verfasser einen harmlosen Spinner sehen (solches war vorauszusehen), und umgekehrt gibt es auch solche, die ihn aus irgendwelchen Gründen für einen hochkarätigen Literaten halten. Selbst betrachte ich mich weder als Spinner (so es gestattet ist) noch als Aristokraten; ich versuch bloß, abseits jeden Jargons (der nur beim Denken stört) in eigener Sprache eigene Gedanken zu entwickeln (nicht, daß ich mir vorgenommen hätte, in eigener Sprache eigene Gedanken zu entwickeln, sondern weil das die fast schon automatischen, instinktiven Schwimmbewegungen sind, mit denen man gegen das Absacken ankämpft); und Leute, die auf Jargon angewiesen sind, vermissen bei solcher Ausdrucksweise die sicheren Wände der gewohnten Schubladen, können, ganz natürlich, nichts damit anfangen und können entsprechend in dem Verfasser nichts anderes sehen als einen Spinner; das ist ganz normal so und kann nicht anders sein. Und umgekehrt kann das auf manche, welche das gedankliche Geflecht erfassen, „professionell“ wirken. Aber es ist nicht professionell; es ist ganz einfach und banal: Leben; der alltägliche Kampf gegen das alltägliche Absacken.

Tbilissi, am 25. Februar 2006

Lesung Tbilissi Februar 2006
Lesung Tbilissi Februar 2006; Dshemal Tavadse

Letzten Mittwoch Lesung in interessantem Kreis. Extra vorbereitet hatte ich nichts; einfach genügend eh bereits vorhandenes Material ausgedruckt; den Rest überließ ich dem Bedarf der Anwesenden. Las zuerst ein paar Texte vor; übergab dann die Vorleserei an Dshemal, der zwischendurch auf dem hundertzehnjährigen aus der Leningrader Blockade herausgeretteten Bechsteinklavier improvisierte. Schließlich bat man mich, über die Klamurke zu sprechen. Ich erzählte von dem Studium der Phänomenologie des geistig-seelischen Erstickens, zu dem eben das geistig-seelische Ersticktsein mich drängte, wie ich versuchte, über eine solche Klamurke Mitstudierende zu finden; wie das nicht gelang und wie es mir dann aber doch gelang, im Alleingang mich aus diesen Sümpfen herauszuarbeiten, deren Konsistenz etwas zu verstehen. Daß ich – wie mir rückblickend deutlich ist – unfähig bin, mich mit billigen Surrogaten abzufinden; daß ich, wo ich nichts verstehe, auch spüre, daß ich nichts verstehe und weder mir selbst noch anderen vormachen kann, als verstehe ich was; und wie ich mich denn in völliger Einsamkeit so nach und nach aus diesem Moraste herausarbeitete. Wie meine Unfähigkeit, mich mit Surrogaten abzufinden, auf eine auch für mich selbst nur schwer zu fassende Weise mit einer gewissen „russischen Komponente“ in mir verbunden ist; wie diese „russische Komponente“, als es mich dann auch geographisch nach Rußland verschlug, die Oberhand gewann; und dann las ich auch die «Показуха в заморской маске» (Augenwischerei auf Vornehm) vor, welche einen gewissen Durchbruch im Herausarbeiten aus den Sümpfen bedeutete. – All dies wurde von den meisten sehr gut verstanden und sehr gut aufgenommen.

Ingas weiter oben erwähnte Beschäftigung mit den Problemen der Frauen in Georgien macht Fortschritte; vermutlich wird sie bereits in allernächster Zeit einen entsprechenden Verein registrieren; auch die Gründungsmitglieder sind bereits beisammen[3]. Vor kurzem gab sie mir die Skizze ihres Programms, damit ich sie weiter ausformuliere. Was ich auch tat. Die zentrale Stelle sei hier eingefügt (im Original und in deutscher Übersetzung):